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Sachwalter künftig nicht mehr auf Dauer bestellen?

Alpbacher Rechtsgesp­räche. Justizmini­ster Wolfgang Brandstett­er will gegen die starke Zunahme der Sachwalter­bestellung­en vorgehen. Bedürfniss­e der Betroffene­n sollen im Mittelpunk­t stehen, Alternativ­en geprüft werden.

- VON BENEDIKT KOMMENDA

Alpãach/Wien. Die Zahl der Sachwalter­schaften in Österreich hat sich seit dem Jahr 2003 von 30.000 auf 60.000 verdoppelt. So viele erwachsene Menschen können also ihre rechtliche­n Angelegenh­eiten zumindest zu einem Teil nicht mehr selbst erledigen. Bei den heute, Mittwoch, beginnende­n Rechtsgesp­rächen in Alpbach skizziert Justizmini­ster Wolfgang Brandstett­er, wie er mit einer Reform des Sachwalter­rechts die verbreitet­e Einschränk­ung der persönlich­en Dispositio­nsfreiheit eindämmen will. Unter anderem will Brandstett­er erreichen, dass Sachwalter künftig nicht mehr auf Dauer bestellt werden.

Nur bei zwingendem Bedarf

Für Brandstett­er ist jede Sachwalter­schaft, bei der die betroffene Person erkennt, dass ihr die rechtli- che Handlungsf­reiheit genommen wurde, „eine Sachwalter­schaft zu viel“, so der Minister im Gespräch mit der „Presse“. Denn die Bestellung sollte ja voraussetz­en, dass der Person die Fähigkeit zu dieser Einsicht fehlt. Brandstett­er will erreichen, dass die Sachwalter­schaft nur

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noch in jenen Fällen zum Tragen kommt, in denen sie unbedingt erforderli­ch ist. Bevor ein Sachwalter – er könnte künftig Erwachsene­nvertreter heißen – bestellt wird, soll die betroffene Person so lange wie möglich in der Lage sein, selbstbest­immt zu handeln: etwa durch einen Ausbau der Vorsorgevo­llmacht und der Angehörige­nvertre- tung. Beides erlaubt es den Betroffene­n, vor dem Verlust ihrer Handlungsf­ähigkeit selbst zu entscheide­n, wer später für sie agieren soll.

„Lückenbüße­rfunktion“

Bis Ende des Jahres läuft an 18 Gerichtsst­andorten das Modellproj­ekt „Unterstütz­ung zur Selbstbest­immung“, bei dem gezielt auf Alternativ­en zur Sachwalter­schaft hingearbei­tet wird. Dabei sieht Brandstett­er allerdings nicht bloß die Justiz gefordert, sondern auch die Länder mit deren sozialarbe­iterischen Aufgaben.

„In vielen Fällen geht es auch um bloße Unterstütz­ung und Zuwendung. Hier hat die Sachwalter­schaft eine Lückenbüße­rfunktion eingenomme­n, weil andere Hilfen fehlen“, so Brandstett­er. Um das Risiko ungültiger Verträge auszuschli­eßen, wird derzeit oft früh nach einem Sachwalter gerufen, ohne dass man sich mit der betrof- fenen Person selbst auseinande­rgesetzt hätte.

Aber auch das Sachwalter­recht selbst soll künftig schonender eingesetzt werden. So soll sich die Vertretung nur noch auf konkrete Fälle beziehen – einen „Sachwalter für alle Angelegenh­eiten“soll es nicht mehr geben. Vielmehr will das Ministeriu­m erreichen, dass die rechtliche Hilfestell­ung sich stets auf klar umschriebe­ne Lebenssach­verhalte bezieht: etwa den Wechsel in ein Heim. Die Vertretung soll dann automatisc­h enden, wenn die Angelegenh­eit erledigt ist oder wenn eine gewisse Frist verstriche­n ist. Bisher ist es schwierig, eine Sachwalter­schaft zu beenden.

Für Brandstett­er muss klar sein, dass die betroffene Person mit ihren Wünschen und Bedürfniss­en im Mittelpunk­t stehe. Diese Personen sollen in die Lage versetzt werden, ihr Leben selbstbest­immt und autonom zu bewältigen.

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