Blatter: „Bin ein ehrenwerter Mann“
Fifa. Sepp Blatter setzt „Abschiedstournee“mit Lobgesang auf eigene Verdienste und Provokationen munter fort. Er sei sauber, Korruption sei kein Fifa-Problem; Funktionäre vor Auslieferung an USA.
London/Wien. Sepp Blatter ist wirklich ein unterhaltsamer Sportfunktionär. Der seit Jahren in der Kritik stehende und nun im Februar 2016 aus dem Amt scheidende Präsident des Weltfußballverbands unternimmt seit seinem Abschiedsversprechen im vergangenen Mai geradezu alles, um sein Image aufzupolieren. Er mimt plötzlich den von ethischen Motiven befeuerten Revolutionär, der dem Weltverband neue Regeln und Transparenz aufprägen will. Der Schweizer, 79, besticht dabei aber ausschließlich bei Auftritten und Interviews mit seiner seit Jahrzehnten kultivierten Form der „Teflonpolitik“. Schuld seien alle anderen, seine Feinde residieren in Europa, und Korruption, nein, die gebe es in seinem Verband sicher nicht . . .
Nun lässt Blatter wieder einmal aufhorchen, am Montag sorgte ein BBC-Gespräch für breites Schmunzeln unter Weggefährten, bei Kritikern und Gegner für fassungsloses Kopfschütteln. „Ich weiß, was ich getan habe, was ich nicht getan habe. Ich habe mein Gewissen, und ich weiß, dass ich ein ehrenwerter Mann bin. Ich bin sauber.“„Seine Fifa“, sagt der Walliser unaufhörlich, sei keineswegs korrupt. „Es gibt keine Korruption im Fußball, es gibt Korruption bei Einzelpersonen. Es sind die Menschen.“
Im Dienst des Weltfußballs
Sepp Blatter ist seit knapp vier Jahrzehnten bei der Fifa aktiv, der Präsident kennt die Welt und ihre Geschäfte. All ihre Geschäftemacher wurden im Lauf der Jahre auch getrost bei ihm in seinem mondänen Büro in Zürich einmal vorstellig; dass neben all diesen „großen Erfolgen großer Mannschaften“auch Gegner und bitterböse Kritiker auf dem Spielfeld einlaufen, das verstehe sich von selbst, sagt also der Mann von Welt.
Die weltweiten Anfeindungen vernehme er sehr wohl, sagt Blatter, er wisse aber, dass sie gesteuert wären, nur um ihm zu schaden. Es begegne ihm aber auch weiterhin enormer Respekt. „Gehen Sie in die
Fifa-
Welt, gehen Sie nach Asien, gehen Sie nach Afrika . . . gehen Sie nach China. Fragen Sie, was sie dort über die Fifa und Blatter denken. Das ist etwas anderes!“Es sei etwas ganz anderes, und eines Tages würde man schon noch erkennen, welchen Dienst er dem Weltfußball und seiner Gesellschaft mit seinem Einsatz tatsächlich erwiesen hat.
Ende Mai war Blatters Imperium in sich zusammengefallen wie ein Kartenhaus. Er war zwar für eine fünfte Amtszeit gewählt worden und kündigte dennoch wenig später – aufgrund anhaltender Kritik im Zuge des aktuellen Korruptionsskandals – an, sein Amt zur Verfügung zu stellen. Blatters Nachfolger wird nach langwierigen Verhandlungen der Fifa-Exekutive am 26. Februar 2016 gewählt. Favorit auf den Chefposten ist der Franzose Michel Platini, derzeit Präsident der Europäischen FußballUnion – und Blatters Erzfeind.
Am Rand des Fifa-Kongresses sind sieben Funktionäre festgenommen worden. Im September ist nun mit Entscheidungen der Justiz über die US-Auslieferungsanträge zu rechnen, bestätigte das Schweizer Bundesamt für Justiz. Sechs Herren sitzen noch in Untersuchungshaft. Nur Ex-Vizepräsident Jeffrey Webb – er galt als Blatters rechte Hand – ist längst ausgeliefert worden. Er bekannte sich bei der Anhörung vor einem Gericht in Brooklyn nicht schuldig. Es gilt damit als gewiss, dass der ehemalige Chef des Kontinentalverbands Concacaf (Nord- und Mittelamerika sowie Karibik) als „Kronzeuge“auftreten wird, um selbst straffrei auszugehen. Er befindet sich aktuell auf freiem Fuß, für 9,2 Millionen Euro Kaution.
US-Strafmaß: 20 Jahre Haft
Die US-Staatsanwalt hat gegen sieben Funktionäre und fünf Vermarktungsmanager Anklage wegen Betrugs, Bestechung, Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Verschwörung erhoben. Die zur Verhandlung stehenden Vorwürfe umfassen ein Volumen von über 100 Millionen Dollar, bei Verurteilungen drohen Strafen von bis zu 20 Jahre Haft.
Neben Webb landeten aus Blatters Fifa-Familie der Entwicklungsbeauftragte Julio Rocha (an Nicaragua ausgeliefert), Vizepräsident Eugenio Figueredo (Uruguay), Costa Ricas Verbandschef Eduardo Li, Costas Takkas (GB), Venezuelas Verbandsboss Rafael Esquivel und Brasiliens früherer Verbandspräsident Jose´ Maria Marin in Schweizer Haft.