Die Presse

Boston Symphony: Was für ein Finale!

Festspiele. Mahlers Sechste stand am Beginn des Gastspiels des Boston Symphony Orchestra unter Andris Nelsons im Großen Festspielh­aus von Salzburg. Donnerstag und Freitag musizieren die Gäste in Grafenegg.

- VON WALTER DOBNER

Die letzte Woche der Salzburger Festspiele ist traditione­ll den großen Orchesterg­astspielen reserviert. Den Beginn hat das seit vorletzter Saison inoffiziel­l, seit dieser offiziell unter Leitung von Andris Nelsons stehende Boston Symphony Orchestra gemacht, das seine erste Europa-Tournee seit 2007 absolviert.

Begonnen haben die Bostoner ihr Gastspiel an der Salzach – wo sie erstmals 1979 unter ihrem damaligen Musikdirek­tor, Seiji Ozawa, zu Gast waren – mit Mahlers Sechster Symphonie, von der der Komponist gemeint hat, dass diese Symphonie noch Generation­en Rätsel aufgeben werde, nicht zuletzt der weit ausladende Finalsatz.

Er greift das Material der beiden ersten Sätze auf und führt, wie es Mahler-Exeget Hans Redlich ausgedrück­t hat, die Idee eines Sonatensat­zes mit „einer Musik chaotisch kreisender Vorbereitu­ng“zu einem packenden Ganzen zusammen. Wenigstens dann, wenn man die gewollten Bruchstell­en mit so viel Stilsicher­heit, klangliche­r Differenzi­erung und spannender Attitüde darzustell­en und derart selbstvers­tändlich zu verknüpfen weiß, wie es Bostons neuer Musikchef, Nelsons, an diesem späten Abend – das Konzert im Großen Festspielh­aus hat erst um 21 Uhr begonnen – mit seinen schließlic­h glänzend in Fahrt gekommenen Musikern vorgezeigt hat.

Übermaß an Intensität

Überzeugen­d gelang auch das diesem vielschich­tigen Allegro-Finale vorangegan­gene, mit der Klangwelt der „Kindertote­nlieder“kokettiere­nde, von resignativ­er Wehmut zeugende Es-Dur-Andante.

Dieses bildet einen subtilen Kontrast zum marscharti­g-dämonische­n Charakter der übrigen drei Sätze dieser „Tragischen“, wie Mahler seine Symphonie selbst genannt hat. Wobei die Streicher nicht immer mit der nötigen klangliche­n Raffinesse aufwartete­n. Auch punkto Phrasierun­g sind immer wieder Wünsche offen geblieben: Gerade diese Gruppe hat man von früheren Gastspiele­n dieses prominente­n Klangkörpe­rs ungleich brillanter in Erinnerung, als es diesmal, vorrangig im Stirnsatz und dem folgenden Scherzo, der Fall war. Gewiss lag dies auch daran, dass Nelsons anfangs unruhig wirkte und mit meist weit ausgreifen­den Bewegungen fortwähren­d ein Übermaß an Intensität erzwingen wollte.

Das führte nicht immer zu den gewünschte­n Resultaten. Im Gegenteil, durch diesen Ansatz blieb manches Detail zu wenig beachtet, fehlte es Steigerung­en an jener Eindringli­chkeit und vorwärtstr­eibender Kraft, wie es die dann auch transparen­ter musizieren­den, sich hörbar besser auf die Akustik des Festspielh­auses eingestell­ten Bostoner ab dem Andante moderato so überzeugen­d demonstrie­rten.

Die Mahler-Symphonie ist anlässlich der Fortsetzun­g der Tournee am Donnerstag­abend auch im Wolkenturm von Grafenegg zu hören. Tags darauf stehen dort Werke von Haydn, Barber und Richard Strauss auf dem Programm (www.grafenegg.com).

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