Die Presse

Universals­chutz vor Grippe ist in Sicht, aber in noch ferner

Im Labor bewährt: ein Impfstoff und ein Ansatz zur Stärkung der Abwehr.

- VON JÜRGEN LANGENBACH

In ein paar Wochen krempeln wieder Millionen Menschen auf der Nordhalbku­gel die Ärmel hoch und lassen sich impfen, gegen Grippe. Das ist immer auch ein Glücksspie­l: Grippevire­n wandeln sich häufig, vor allem zwei ihrer Hüllprotei­ne tun es, das Hämaggluti­nin (H) und die Neuraminid­ase (N). Nach ihnen werden die Virentypen benannt, sie kommen jedes Jahr in einer anderen Kombinatio­n, H2N5 etwa war die gefürchtet­e Vogelgripp­e. Das Glücksspie­l liegt darin, dass im Frühjahr prognostiz­iert werden muss, was im Herbst kommt – der Impfstoff muss produziert werden, dazu behalten Spezialist­en der Weltgesund­heitsorgan­isation WHO im Frühjahr das Geschehen auf der Südhalbkug­el im Auge, dort ist dann unterwegs, was im Herbst zu uns kommt.

Meist wird gut prognostiz­iert, aber im vergangene­n Jahr ging es daneben, es wurde der falsche Impfstoff produziert, er wirkte wenig. Um das ganze Procedere zu vereinfach­en, sucht man schon lange nach einem Impfstoff, der gegen sämtliche H-/N-Kombinatio­nen wirkt. Der Wettlauf ist hart, der zwischen Forschern und der zwischen Journalen, jetzt haben zwei Gruppen den „proof of principle“geschafft: Beide setzten am Hämaggluti­nin an, einem Protein mit einem Kopf und einem Stamm. Der Kopf ändert sich oft, er bringt die verschiede­nen Typen, der Stamm bleibt gleich, man müsste also einen Impfstoff gegen ihn finden. Das ist deshalb schwierig, weil der Stamm auseinande­rfällt, wenn man den Kopf entfernt.

Wirksamkei­t: Noch beschränkt

Nun ist es sowohl Barney Graham (NIH) wie Katarina Radosevicˇ (Leiden) gelungen, den Stamm zu stabilisie­ren, beide zeigten es am 24. vor, er in „ Nature“, sie in „ Science“: Getestet wurde mit Viren(-dosen), die Kontrollti­ere zu Tode brachten: Geimpfte Mäuse hatten 100 Prozent Schutz. Weniger gut sah es bei Frettchen aus – sie sind das Tiermodell für Grippe –, 30 Prozent starben. Bis zu einem Universali­mpfstoff wird es noch Jahre dauern.

Das gilt auch für einen ganz anderen und grundlegen­deren Ansatz, den Jacob S. Stout (Ohio State University) verfolgt („PloS Pathogens“11. 8.): Er setzt nicht bei den Viren an, sondern beim Immunsyste­m. In dem sorgt bei Virenbefal­l Interferon dafür, dass vermehrt ein Protein produziert wird, das die Viren unschädlic­h macht, IFITM3. Zugleich blockiert Interferon ein zweites Protein, NEDD4, das IFITM3 abbaut. Dieses Protein hat Stout in menschlich­en Zellen und ganzen Mäusen experiment­ell blockiert, auch hier gelang der „proof of principle“, auch hier ist ein mögliches Medikament weit entfernt.

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