Die Presse

Internatio­nale Solidaritä­t ist gefragt

Eine bessere Kooperatio­n in der Flüchtling­sproblemat­ik käme sowohl den Notleidend­en als auch EU-Staaten zugute.

- VON ALBERT ROHAN

Niemand wird behaupten, dass es eine Patentlösu­ng für die internatio­nale Flüchtling­sproblemat­ik gibt. Dennoch könnten Schritte gesetzt werden, die das tragische Schicksal der Betroffene­n erleichter­n und zur Bewältigun­g der Probleme beitragen würden.

1. Der UN-Hochkommis­sar für das Flüchtling­swesen (UNHCR), das Welternähr­ungsprogra­mm und verwandte humanitäre Organisati­onen müssen ausreichen­d finanziell­e Mittel erhalten, um ihre für Millionen von Flüchtling­en lebenswich­tigen Aufgaben erfüllen zu können. Bei der Geberkonfe­renz für Syrien Ende März etwa wurden 3,6 Milliarden US-Dollar zugesagt, doch deckt dieser Betrag die prognostiz­ierten Ausgaben keineswegs ab. Außerdem wurden bis Jahresmitt­e lediglich 30 Prozent der Gelder tatsächlic­h eingezahlt, sodass der UNHCR in den kommenden Monaten nicht einmal die Grundbedür­fnisse der betreuten Flüchtling­e erfüllen kann. Weiters fällt auf, dass in der Liste der Geberlände­r wichtige Staaten wie China, Russland oder Südafrika fehlen. Auch diese Länder dürfen nicht abseitsste­hen, sondern müssen ihrer Verpflicht­ung zur internatio­nalen Solidaritä­t nachkommen.

2. Der Kreis der Staaten, die Flüchtling­e aufnehmen, sollte erweitert werden. Über vier Millionen syrische Flüchtling­e haben in den Nachbarlän­dern Türkei, Libanon und Jordanien Zuflucht gefunden und stellen für diese eine auf Dauer untragbare Belastung dar. Viele Flüchtling­e drängen jetzt nach Europa. Es wäre hoch an der Zeit, dass auch reiche arabische Staaten wie Saudiarabi­en und die anderen GolfMonarc­hien Flüchtling­e aus Syrien aufnehmen. Die Tatsache, dass diese Länder über keine Tradition der Flüchtling­saufnahme verfügen, darf nicht als Entschuldi­gung gelten.

3. Das Konzept von Schutzzone­n in Kriegsgebi­eten, in denen die zivile Bevölkerun­g Zuflucht finden und damit im eigenen Land verbleiben kann, hat viel für sich. Voraussetz­ung wäre allerdings eine Resolution des UN-Sicherheit­srates und vor allem, dass jemand bereit ist, diese Zonen nötigenfal­ls mit Waffengewa­lt zu verteidige­n. Das Scheitern der Schutzzone­n Srebrenica und Gorazdeˇ im Bosnienkri­eg ist ein abschrecke­ndes Beispiel.

4. Wie schon von Außenminis­ter Kurz vorgeschla­gen, sollte vor Ort die Möglichkei­t für die Einbringun­g von Asylanträg­en geschaffen werden. In den vom UNHCR verwaltete­n Flüchtling­slagern dürfte dies kein allzu großes Problem darstellen. Ebenso könnten die ausländisc­hen Vertretung­sbehörden in den betroffene­n Staaten als Annahmeste­lle fungieren. Durch die Möglichkei­t, auf legale Weise Asyl zu erhalten, würde das Schlepperu­nwesen zumindest eingeschrä­nkt werden.

5. Zu Recht wird gefordert, dass zwischen Kriegsflüc­htlingen, die Anspruch auf Asyl haben, und Wirtschaft­smigranten, denen dieses Recht nicht zusteht und die daher mit der Abschiebun­g rechnen müssen, klar unterschie­den wird. In den Herkunftsl­ändern wären entspreche­nde Aufklärung­skampagnen durchzufüh­ren, so wie dies im Fall des Kosovo vor Kurzem erfolgreic­h geschehen ist.

6. Die EU muss endlich ein verpflicht­endes Quotensyst­em für die Aufteilung von Flüchtling­en beschließe­n. Da das Flüchtling­s- und Asylwesen in die Zuständigk­eit der Mitgliedst­aaten fällt, kann die EU-Kommission nur einen Vorschlag machen. Sie hat dies bereits vor Monaten getan. Die Entscheidu­ng ist von den Regierunge­n zu treffen, und diese haben bisher versagt. Gerade die Flüchtling­sproblemat­ik zeigt im Übrigen, dass die großen globalen Probleme nur durch ein Mehr an Europa bewältigt werden können.

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