Internationale Solidarität ist gefragt
Eine bessere Kooperation in der Flüchtlingsproblematik käme sowohl den Notleidenden als auch EU-Staaten zugute.
Niemand wird behaupten, dass es eine Patentlösung für die internationale Flüchtlingsproblematik gibt. Dennoch könnten Schritte gesetzt werden, die das tragische Schicksal der Betroffenen erleichtern und zur Bewältigung der Probleme beitragen würden.
1. Der UN-Hochkommissar für das Flüchtlingswesen (UNHCR), das Welternährungsprogramm und verwandte humanitäre Organisationen müssen ausreichend finanzielle Mittel erhalten, um ihre für Millionen von Flüchtlingen lebenswichtigen Aufgaben erfüllen zu können. Bei der Geberkonferenz für Syrien Ende März etwa wurden 3,6 Milliarden US-Dollar zugesagt, doch deckt dieser Betrag die prognostizierten Ausgaben keineswegs ab. Außerdem wurden bis Jahresmitte lediglich 30 Prozent der Gelder tatsächlich eingezahlt, sodass der UNHCR in den kommenden Monaten nicht einmal die Grundbedürfnisse der betreuten Flüchtlinge erfüllen kann. Weiters fällt auf, dass in der Liste der Geberländer wichtige Staaten wie China, Russland oder Südafrika fehlen. Auch diese Länder dürfen nicht abseitsstehen, sondern müssen ihrer Verpflichtung zur internationalen Solidarität nachkommen.
2. Der Kreis der Staaten, die Flüchtlinge aufnehmen, sollte erweitert werden. Über vier Millionen syrische Flüchtlinge haben in den Nachbarländern Türkei, Libanon und Jordanien Zuflucht gefunden und stellen für diese eine auf Dauer untragbare Belastung dar. Viele Flüchtlinge drängen jetzt nach Europa. Es wäre hoch an der Zeit, dass auch reiche arabische Staaten wie Saudiarabien und die anderen GolfMonarchien Flüchtlinge aus Syrien aufnehmen. Die Tatsache, dass diese Länder über keine Tradition der Flüchtlingsaufnahme verfügen, darf nicht als Entschuldigung gelten.
3. Das Konzept von Schutzzonen in Kriegsgebieten, in denen die zivile Bevölkerung Zuflucht finden und damit im eigenen Land verbleiben kann, hat viel für sich. Voraussetzung wäre allerdings eine Resolution des UN-Sicherheitsrates und vor allem, dass jemand bereit ist, diese Zonen nötigenfalls mit Waffengewalt zu verteidigen. Das Scheitern der Schutzzonen Srebrenica und Gorazdeˇ im Bosnienkrieg ist ein abschreckendes Beispiel.
4. Wie schon von Außenminister Kurz vorgeschlagen, sollte vor Ort die Möglichkeit für die Einbringung von Asylanträgen geschaffen werden. In den vom UNHCR verwalteten Flüchtlingslagern dürfte dies kein allzu großes Problem darstellen. Ebenso könnten die ausländischen Vertretungsbehörden in den betroffenen Staaten als Annahmestelle fungieren. Durch die Möglichkeit, auf legale Weise Asyl zu erhalten, würde das Schlepperunwesen zumindest eingeschränkt werden.
5. Zu Recht wird gefordert, dass zwischen Kriegsflüchtlingen, die Anspruch auf Asyl haben, und Wirtschaftsmigranten, denen dieses Recht nicht zusteht und die daher mit der Abschiebung rechnen müssen, klar unterschieden wird. In den Herkunftsländern wären entsprechende Aufklärungskampagnen durchzuführen, so wie dies im Fall des Kosovo vor Kurzem erfolgreich geschehen ist.
6. Die EU muss endlich ein verpflichtendes Quotensystem für die Aufteilung von Flüchtlingen beschließen. Da das Flüchtlings- und Asylwesen in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt, kann die EU-Kommission nur einen Vorschlag machen. Sie hat dies bereits vor Monaten getan. Die Entscheidung ist von den Regierungen zu treffen, und diese haben bisher versagt. Gerade die Flüchtlingsproblematik zeigt im Übrigen, dass die großen globalen Probleme nur durch ein Mehr an Europa bewältigt werden können.