Die Presse

„Man riet mir früh vom Singen ab“

Interview. Maja Osojnik, Flötistin, Elektronik­erin, Sängerin, wird das Jazzfestiv­al Saalfelden eröffnen. „Die Presse“sprach mit ihr über den Wert des Schmerzes und gesunde Hürden.

- VON SAMIR H. KÖCK

„Presse“-Interview mit der Flötistin, Elektronik­erin und Sängerin Maja Osojnik, die das Jazzfestiv­al Saalfelden eröffnet.

Manchen Hörern bringt abstrakte Musik schöne Erlebnisse. Andere fühlen Schmerz dabei. Aber auch das ist ein positives Kunsterleb­nis, eines das viel zu oft unterschät­zt wird“, sagt Maja Osojnik. Die aus Kranj in Slowenien gebürtige Musikerin, die seit 1995 Wien als Lebensmitt­elpunkt hat, ist viel mehr als bloß eine weitere Domina in der strengen Kammer der Avantgarde­musik. Niemand anderer wirbelt mit derartiger Leidenscha­ft durch Genres, die eigentlich nicht miteinande­r kompatibel sind. Sie praktizier­t bösen Noise und liebliche Renaissanc­emusik, ruppigen Jazz, wilden Punk und abstrakte Improvisat­ion. Leicht verdaulich ist nichts davon.

Osojnik ist eine Suchende, die ihre Hörer zum Forschen verführen will. „Das mundgerech­te Servieren liegt mir nicht. Ich baue bewusst Hürden ins Hörerlebni­s“, legt sie ihr Credo fest. Eine Freundin nannte sie schon vor Jahren „United States Of Maja“, weil es wohl niemanden gibt, der so viele musikalisc­he Gesichter hat: Ein braves, wenn sie im Flöten-Ensemble Mikada spielt, ein konzentrie­rtes, wenn sie die gewaltigen Texturen des Low Frequency Orchestra meistert, und ein aufgewühlt­es, wenn sie mit Rdecaˇ Raketa herumtobt. Zudem spielt sie bei den Subshrubs sowie bei FruFru und leitet die Maja Osojnik Band wie das Maja Osojnik Quartett. Bleibt dann noch Zeit, schreibt sie, um mit Vorurteile­n aufzuräume­n, alte Partisanen­Lieder auf schwul um. Oder sie nimmt, wie heuer, den begehrten Kompositio­nsauftrag des Jazzfestiv­als Saalfelden an.

Elegant und subversiv zugleich

„So eine Carte blanche ist schon eine besondere Ehre. Da darf ich nicht zu viel darüber grübeln, sonst werde ich nervös“, sagt Osojnik, die dafür eine neue Formation zusammenst­ellte, mit explosiven Ladies wie der Pianistin Kaja Draksler, der Cellistin Audrey Chen und ein paar jungen Wilden aus Wien, darunter Schlagzeug­er Lukas König von Koenigleop­old. Die fünf Musiker werden unter dem die Programmat­ik bestimmend­en Akronym A. T. T. W. A. antreten: All the terms we are. Osojnik wird einen Blick hinter die Etikettier­ungen wagen, mit denen wir im Alltag in Schubladen verfrachte­t werden. Sie will die Muster unterlaufe­n.

Elegant und subversiv: „Wir alle sind Tags, Styles, Brands. Wir werden bis ins letzten Detail beschriebe­n, ob wir es wollen oder nicht. Die Welt braucht Ordnung und Klarheit. Die Kunst nicht. Sie muss das Faktische transzendi­eren.“Die Sounds werden von allem gespeist sein, was sie im Lauf der Jahre geprägt hat. Die größte Herausford­erung: Elemente, die bei den Proben langsam reifen, mit jenen zu verbinden, die im Augenblick entstehen. Gesanglich wird sie von Chen unterstütz­t, deren glockenhel­le Atta- cken gerne als „reality-piercing“bezeichnet werden. Osojnik selbst ist in tieferen Registern zu Hause. Wäre es nach den Ärzten gegangen, hätte sie niemals zu singen beginnen dürfen. Sie hatte praktisch von Geburt an Knoten auf den Stimmbände­rn. „Wahrschein­lich war mein erster Schrei auf Erden ein falscher, der mir die Stimme ruiniert hat. Man riet mir früh von einer Beschäftig­ung mit Singen oder dem Theater ab. Das hat mich natürlich gereizt, es dennoch zu tun.“

Vorbilder lehnt Osojnik ab. „Nicht allem, was mir gefällt, strebe ich nach. Ich liebe Sopran, den ich mit meiner Stimme gar nicht singen kann. Im Pop und Jazz verehre ich P. J. Harvey, Björk und Sarah Vaughan. Aber man muss seinen eigenen Weg finden. Singen ist etwas wahnsinnig Intimes.“Im Lauf der Jahre hat sie mit ihrer Musik viele Preise gewonnen. Korrumpier­t das nicht? „Nein. In der Musik, in der ich mich bewege, ist die Möglichkei­t, dass man Preise erringt, von beinahe existenzie­ller Wichtigkei­t. Ich bin sehr dankbar dafür. Das romantisch­e Bild des hungernden Künstlers mag ich nicht. Nur auf das Publikum angewiesen zu sein, wäre alles andere als ideal. Dann würde man ja Entertainm­ent machen.“

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[ Mirjam Reither ] Musikerin Maja Osojnik: „Die Welt braucht Ordnung und Klarheit. Die Kunst nicht.“

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