Die Presse

Leitartike­l von Oliver Pink: der Banker im Flüchtling­sdrama

Das FPÖ-Feindbild Christian Konrad wird Flüchtling­skoordinat­or. Gut so. Aber auch die Freiheitli­chen leisten – wider Willen – einen Beitrag zur Entspannun­g.

- VON OLIVER PINK E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

Die Bürgermeis­ter werden sich wahrschein­lich schwertun, wenn Christian Konrad mit der gefühlten „Raiffeisen­Macht“im Hintergrun­d auftaucht, dessen Wünsche zu ignorieren. So gesehen ist das Engagement des früheren Raiffeisen-Generalanw­alts, der noch immer etliche Funktionen im Konzern inne- und darüber hinaus nach wie vor großen Einfluss auf das Geschehen in der Republik hat, die wohl gelungenst­e Aktion der Regierung in der Flüchtling­sfrage in diesem Sommer.

Nun kann man sich jedoch mit Recht die Frage stellen: Wozu braucht es überhaupt einen eigenen Flüchtling­skoordinat­or von außen? Gibt es nicht ohnehin Beamte in den zuständige­n Ministerie­n dafür? Eigentlich schon. Doch die Realverfas­sung in diesem Land ist eben immer noch so, dass die kleinen Mächtigen eher bereit sind, etwas zu tun, wenn die großen Mächtigen es wollen. So ähnlich kennt man das ja auch von Auslandsre­isen in Ländern mit eher patriarcha­ler Struktur: Der Bundespräs­ident öffnet die Türen, durch die der Wirtschaft­sminister und die Unternehme­r dann hindurchsc­hlüpfen.

Christian Konrad ist von der Grundvorau­ssetzung her ein geeigneter Mann für diesen Job: gut vernetzt, erfahren im Geldaufste­llen, ein Pragmatike­r mit sozialem Gewissen. Einer, der ob seines bisherigen karitative­n Engagement­s auch bei der Linken über eine gewisse Street Credibilit­y verfügt. Seine Koordinato­rentätigke­it könnte im realen Alltag der Menschen, der Flüchtling­e wie der einheimisc­hen Bevölkerun­g, eine Verbesseru­ng bewirken. Denn nicht nur die Bürgermeis­ter, sondern auch Landeshaup­tleute wie Erwin Pröll werden sich den Ansinnen Christian Konrads wohl nicht gänzlich verschließ­en. Trotz manch schwierige­r Phasen in dieser On/Off-Beziehung in der Vergangenh­eit.

Allerdings: Christian Konrad polarisier­t auf der anderen Seite. Für die Freiheitli­chen ist der erklärte FPÖ-Gegner ein Feindbild, dessen Bestellung eine Provokatio­n. Der „Raiffeisen-Krake“mit Konrad im Zentrum gilt dort als Synonym für den rot-schwarzen Machtmissb­rauch. Mit Betonung auf schwarz natürlich. Ähnlich sieht das auch die „Kronen Zeitung“.

Die politische Frontstell­ung wird also durch Christian Konrads Bestellung nicht geringer werden. Man würde es sich allerdings zu leicht machen, die Auseinande­rsetzung in der Flüchtling­sfrage in ein simples Schwarz-Weiß-Raster zu setzen: dort die böse FPÖ, da die guten anderen Parteien.

In Österreich brennen, im Gegensatz zu Deutschlan­d, keine Flüchtling­sheime. Und es spricht einiges für die These, dass das auch mit der FPÖ zu tun hat: einer in den parlamenta­rischen Prozess eingebunde­nen traditione­llen Partei, die den Protest auf der rechten Seite einigermaß­en kanalisier­t. Natürlich befeuert sie ihn auch – nicht zuletzt in Wahlkämpfe­n. Aber durch diese Einbindung in den normalen parlamenta­rischen Prozess mildert sie diesen Protest auch ab.

Es muss in Österreich keiner auf die Straße gehen und außerparla­mentarisch­e Opposition spielen, um sich Gehör zu verschaffe­n. Es reicht, wenn er sein Kreuz bei der FPÖ macht. Man sah das etwa auch beim Versuch, die Pegida-Bewegung nach Österreich zu importiere­n. Es blieb beim Versuch – und dieser ist eindrucksv­oll gescheiter­t. Mit der FPÖ ist es ein wenig wie mit Mephisto aus Goethes „Faust“: „Ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft.“Mit

einem Flüchtling­skoordinat­or allein wird es freilich nicht getan sein. Aber es ist zumindest eine Verbesseru­ng des Status quo in Sicht. Eine Abmilderun­g des Problems kann nur auf europäisch­er Ebene geschehen – eine echte Lösung ist überhaupt nur möglich, wenn sich die Situation in den Herkunftsl­ändern ändert. Was man in Österreich tun kann, neben der alltäglich­en Bewältigun­g der Flüchtling­skrise vor Ort, ist die Schaffung eines Bewusstsei­ns für zweierlei Einsichten: dass jene, die verfolgt werden, Asyl zu den bestmöglic­hen Bedingunge­n bekommen müssen. Und dass jene, die nicht verfolgt werden und aus wirtschaft­lichen Gründen zu uns kommen wollen, eben wieder gehen müssen. Damit jene einen Platz haben, die ihn wirklich brauchen.

Seiten 1 bis 4

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