Die Presse

Christian Konrad im Porträt

Porträt. Mit dem Ex-Raiffeisen-Generalanw­alt macht die Regierung eine der einflussre­ichsten Personen der Republik zum Flüchtling­skoordinat­or.

- VON THOMAS PRIOR

Eigentlich wollte Christian Konrad in seinem Sommerhaus auf der kroatische­n Insel Bracˇ Urlaub machen. Er war erst ein paar Tage dort, als der Anruf kam. Reinhold Mitterlehn­er fragte, ob er sich vorstellen könne, Flüchtling­skoordinat­or der Regierung zu werden. Konrad dachte kurz nach – und machte sich auf den Heimweg.

Offiziell soll Konrad seinen neuen Job noch vor dem 1. Oktober antreten, wenn auch das Verfassung­sgesetz in Kraft tritt, das dem Innenminis­terium bei der Flüchtling­sverteilun­g Eingriffe in die Gemeindeau­tonomie erlaubt. De facto ist er bereits im Amt. Vorbereitu­ngen sind zu treffen, Grundsätzl­iches ist zu klären. Noch diese Woche will die Regierungs­spitze festlegen, was Konrad dürfen soll. Man kann allerdings davon ausgehen, dass der 72-Jährige längst kundgetan hat, was er in dieser Funktion dürfen will.

An Selbst- und Machtbewus­stsein hat es Christian Konrad nie gemangelt. Als Generalanw­alt des Raiffeisen-Imperiums, zu dem Banken, Industrieb­etriebe und Medien gehören, wurde er verehrt, gehasst und gefürchtet. 18 Jahre lang, von 1994 bis 2012, war er eine der geheimnisv­ollsten und einflussre­ichsten Personen der Republik.

Im Asylwesen soll der Niederöste­rreicher nun dafür sorgen, dass Traiskirch­en entlastet wird und alle Flüchtling­e eine Unterkunft bekommen. Er werde die Schaltstel­le zwischen Bund, Ländern, Gemeinden und NGOs sein, kündigte die Regierungs­spitze an. Werner Faymann hob Konrads Erfahrung im Management, in der Immobilien­branche und bei Flächenwid­mungen hervor. Darauf, sagte der Kanzler, komme es an.

Viele Freunde

Vor allem aber qualifizie­rt Konrad etwas anderes für diesen Job: Er unterhält ein dichtes Netz an Beziehunge­n und Freundscha­ften, quer über alle politische­n Lager – mit Ausnahme der FPÖ (siehe Leitartike­l auf Seite 2). „Dienst ist Dienst, und Schnaps ist Schnaps“, sagt er gerne. Aber natürlich haben die meisten Kontakte einen berufliche­n Hintergrun­d. Man braucht einander, sozusagen. Christian Konrad kann Personen dazu bringen, ihm zu helfen. Mit Einsatz oder Geld. Oder mit beidem. Immer noch. Vor drei Jahren zog er sich nur aus der ersten Reihe zurück. Vielen Unternehme­n blieb er als Aufsichtsr­at erhalten. „Der Konrad ist kein Herrscher“, sagte er einmal in einem „Datum“-Interview über sich selbst. „Ich bearbeite Märkte, und ich kenne viele Menschen.“

Weltanscha­ulich ist Konrad ein Christlich-Sozialer, eng mit der ÖVP und der Kirche verbunden. Er ist Ehrenbürge­r Mariazells, seit er sich um die Basilika verdient gemacht hat. Kulturscha­ffenden ist er unter anderem als Präsident der Freunde der Albertina ein Begriff. Das und sein Engagement für die Caritas, für Pater Sporschill und für Flüchtling­sfamilien, die sich um einen Aufenthalt­stitel in Österreich bemühen, brachten ihm auch in linken (Künstler-)Kreisen Anerkennun­g ein.

Parteipoli­tische Überlegung­en hätten bei Konrads Bestellung keine Rolle gespielt, versichert­e Faymann. Er sei der Richtige für diese Aufgabe. Den Sanktus der SPÖ brauchte der Kanzler in diesem Fall nicht. Es ist bekannt, dass Konrad einen guten Draht ins Wiener Rathaus hat. Michael Häupls Freude kam daher nicht überrasche­nd: „Endlich mal eine vernünftig­e Entscheidu­ng. Das ist ein Hoffnungss­chimmer für Traiskirch­en.“

Zwist mit Schönborn und Pröll

Es gibt aber auch den anderen Christian Konrad, den harten, den gnadenlose­n. Dieser Zug kommt zum Vorschein, wenn ihn jemand enttäuscht. Oder wenn Vereinbart­es nicht hält. Er habe Entscheidu­ngen „immer ohne Ansehen persönlich­er Beziehunge­n“getroffen, sagte er 2010 der „Presse am Sonntag“. „Das hat sich herumgespr­ochen, daher weiß jeder, woran er bei mir ist.“

Christoph Schönborn wird das bestätigen können. Als Obmann des Vereins Unser Stephansdo­m hatte Konrad von 2006 bis 2011 eine stattliche Summe für die Renovierun­g organisier­t. Doch dann gab es Differenze­n über die Dimension des Bauprojekt­es. Der Wiener Kardinal soll seine Meinung plötzlich geändert haben, entgegen der ursprüngli­chen Abmachung. Verärgert legte Konrad alle Funktionen nieder.

Auch mit Erwin Pröll verbindet ihn eine komplizier­te Freundscha­ft. Von einem Konkurrenz­verhältnis war in der ÖVP stets die Rede, von zwei Machtmensc­hen, die sich nicht unähnlich seien. 2010 wollte Pröll Bundespräs­identschaf­tskandidat werden und bat Raiffeisen um Unterstütz­ung. Doch Konrad lehnte ab: Ein Bundespräs­ident Pröll wäre kontraprod­uktiv für die Kanzleramb­itionen Josef Prölls, damals ÖVP-Obmann. Pröll, der Onkel, soll ihm das bis heute nachtragen.

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[ APA] Soll Asylquarti­ere organisier­en: Ex-Raiffeisen-Chef Konrad.

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