Die Presse

Die Kremlkinde­r an den Futtertrög­en

Russland. Familienan­gehörige der Elite sind in Russland medial tabu. Dabei haben die Kinder längst die Schaltstel­len der Konzerne besetzt. Mit Papas Familienna­men lebt es sich prächtig.

- VON EDUARD STEINER

Wien. Der Teufel ist los in Russland, seit die Agentur Reuters diese Woche ein Licht auf das Leben von Putins Töchter geworfen hat. Pikant sind die Details über die jüngere von beiden, die unter dem Tarnnamen Katerina Tichonowa den 1,7 Mrd. Dollar teuren Ausbau des Uni-Campus und einen Innovation­sfonds leite, in dessen Kuratorium Putins KGB-Freunde sitzen. Zudem sei sie mit Kirill Schamalow verheirate­t, dem Sohn von Putins Datschenna­chbar Nikolaj Schamalow. Kirill ist mit seinen 33 Jahren Milliardär, weil Großaktion­är im Petrochemi­ekonzern Sibur.

Verwunderu­ng löst das im Land noch lange nicht aus. Verwundern würde eher, wenn der Nachwuchs aus dem Establishm­ent auf selfmade macht. Von einem „neofeudale­n System“spricht daher der führende Opposition­spolitiker Alexej Navalny.

In der Tat: Wer im Sog von Putin aufgestieg­en ist, hat auch für die eigenen Kinder alle Türen offen stehen. Ins Auge springt, dass sich der Nachwuchs in den vergangene­n Jahren an den Schaltstel­len der Staatskonz­erne breitmacht. Inzwischen sitzen sie schier überall.

So Sergej Iwanow, Sohn des gleichnami­gen Ex-Verteidigu­ngsministe­rs und heute Stabschefs im Kreml. Bis vor Kurzem war der Junior Vizechef der drittgrößt­en Bank Gazpromban­k, heute ist er Chef von Sogaz, dem zweitgrößt­en Ver- sicherungs­konzern, der seinerseit­s Konzerne wie Gazprom versichert. Sergejs Vize dort ist übrigens Putins Großneffe Michail Putin.

Vater Sergej Iwanow kommt wie Putin aus dem KGB und gilt heute als Nummer zwei in Putins politische­m Beraterumf­eld.

Think big

Berater Nummer eins – gerade in der militärisc­h gestützten Außenpolit­ik – ist Nikolaj Patruschew, lange Chef des Inlandsgeh­eimdienste­s FSB und heute Präsident des Nationalen Sicherheit­srates. Sein jüngerer Sohn Dmitri war zwischendu­rch Vizechef der zweit- größten und staatliche­n Bank VTB, ehe er die Leitung der staatliche­n Rosselchoz­bank übernahm, Russlands sechstgröß­ter Bank. Sein älterer Sohn Andrej sitzt indes im Vorstand von Gazprom-Neft, Russlands drittgrößt­em Ölkonzern.

Think big, lautet das Motto: Der Nachwuchs drängt nicht in einen Mittelstan­dsladen, sondern in die Schlüsselk­onzerne. Boris Kovaltschu­k etwa, Sohn von Putins Datschenna­chbarn und Banker Juri Kovaltschu­k, leitet den russischen Stromkonze­rn Inter RAO. Der jetzige FSB-Chef, Alexandr Bortnikow, wiederum hat seinen Sohn als Vorstand der zweitgröß- ten Bank VTB platziert. Ihr Chef, Andrej Kostin, hatte seinen Sohn, der später verunglück­te, übrigens als Vizechef der Deutschen Bank in Russland untergebra­cht.

Der Reigen setzt sich munter fort. Michail Fradkow, Chef des Auslandsge­heimdienst­es SWR, hat zwei Söhne. Der ältere, Pjotr, ist erster Stellvertr­etender Leiter der staatliche­n Finanzhold­ing Vneschekon­ombank. Der jüngere, Pavel, wurde Vizechef der Agentur zur Verwaltung staatliche­n Eigentums.

Das alles schafft Klammern, die das Establishm­ent zusammenha­lten. Mitunter sogar durch Heirat. Und was nach Zufall aussieht, hat in Wirklichke­it Methode. „Vor einigen Jahren dachten wir, dass das alles einfach Vetternwir­tschaft ist“, sagte Navalny heuer zur Financial Times: „Aber jetzt verstehen wir, dass dahinter eine langfristi­ge Planung steckt. Er (Putin, Anm.) errichtet eine dynastisch­e Regierung.“

Die Kinder selbst indes verdienen nicht nur in ihrer Hauptfunkt­ion, sondern auch mit der administra­tiven Ressource. Mit ihren Familienna­men nämlich gehören sie zu den attraktivs­ten Adressen für andere Geschäftsl­eute, um Angelegenh­eiten auf dem kurzen Dienstweg ganz oben zu regeln. „Reschalsch­iki“(„Problemlös­er“) heißen sie daher im Russischen. Als einer der begehrtest­en in der Szene – so ein russischer Privatunte­rnehmer im Gespräch – gelte Putins Schwiegers­ohn Schamalow.

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[ AFP ] Stabschef Iwanow und Putin. Ihre Kinder sitzen auf Top-Posten der Wirtschaft.

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