Die Kremlkinder an den Futtertrögen
Russland. Familienangehörige der Elite sind in Russland medial tabu. Dabei haben die Kinder längst die Schaltstellen der Konzerne besetzt. Mit Papas Familiennamen lebt es sich prächtig.
Wien. Der Teufel ist los in Russland, seit die Agentur Reuters diese Woche ein Licht auf das Leben von Putins Töchter geworfen hat. Pikant sind die Details über die jüngere von beiden, die unter dem Tarnnamen Katerina Tichonowa den 1,7 Mrd. Dollar teuren Ausbau des Uni-Campus und einen Innovationsfonds leite, in dessen Kuratorium Putins KGB-Freunde sitzen. Zudem sei sie mit Kirill Schamalow verheiratet, dem Sohn von Putins Datschennachbar Nikolaj Schamalow. Kirill ist mit seinen 33 Jahren Milliardär, weil Großaktionär im Petrochemiekonzern Sibur.
Verwunderung löst das im Land noch lange nicht aus. Verwundern würde eher, wenn der Nachwuchs aus dem Establishment auf selfmade macht. Von einem „neofeudalen System“spricht daher der führende Oppositionspolitiker Alexej Navalny.
In der Tat: Wer im Sog von Putin aufgestiegen ist, hat auch für die eigenen Kinder alle Türen offen stehen. Ins Auge springt, dass sich der Nachwuchs in den vergangenen Jahren an den Schaltstellen der Staatskonzerne breitmacht. Inzwischen sitzen sie schier überall.
So Sergej Iwanow, Sohn des gleichnamigen Ex-Verteidigungsministers und heute Stabschefs im Kreml. Bis vor Kurzem war der Junior Vizechef der drittgrößten Bank Gazprombank, heute ist er Chef von Sogaz, dem zweitgrößten Ver- sicherungskonzern, der seinerseits Konzerne wie Gazprom versichert. Sergejs Vize dort ist übrigens Putins Großneffe Michail Putin.
Vater Sergej Iwanow kommt wie Putin aus dem KGB und gilt heute als Nummer zwei in Putins politischem Beraterumfeld.
Think big
Berater Nummer eins – gerade in der militärisch gestützten Außenpolitik – ist Nikolaj Patruschew, lange Chef des Inlandsgeheimdienstes FSB und heute Präsident des Nationalen Sicherheitsrates. Sein jüngerer Sohn Dmitri war zwischendurch Vizechef der zweit- größten und staatlichen Bank VTB, ehe er die Leitung der staatlichen Rosselchozbank übernahm, Russlands sechstgrößter Bank. Sein älterer Sohn Andrej sitzt indes im Vorstand von Gazprom-Neft, Russlands drittgrößtem Ölkonzern.
Think big, lautet das Motto: Der Nachwuchs drängt nicht in einen Mittelstandsladen, sondern in die Schlüsselkonzerne. Boris Kovaltschuk etwa, Sohn von Putins Datschennachbarn und Banker Juri Kovaltschuk, leitet den russischen Stromkonzern Inter RAO. Der jetzige FSB-Chef, Alexandr Bortnikow, wiederum hat seinen Sohn als Vorstand der zweitgröß- ten Bank VTB platziert. Ihr Chef, Andrej Kostin, hatte seinen Sohn, der später verunglückte, übrigens als Vizechef der Deutschen Bank in Russland untergebracht.
Der Reigen setzt sich munter fort. Michail Fradkow, Chef des Auslandsgeheimdienstes SWR, hat zwei Söhne. Der ältere, Pjotr, ist erster Stellvertretender Leiter der staatlichen Finanzholding Vneschekonombank. Der jüngere, Pavel, wurde Vizechef der Agentur zur Verwaltung staatlichen Eigentums.
Das alles schafft Klammern, die das Establishment zusammenhalten. Mitunter sogar durch Heirat. Und was nach Zufall aussieht, hat in Wirklichkeit Methode. „Vor einigen Jahren dachten wir, dass das alles einfach Vetternwirtschaft ist“, sagte Navalny heuer zur Financial Times: „Aber jetzt verstehen wir, dass dahinter eine langfristige Planung steckt. Er (Putin, Anm.) errichtet eine dynastische Regierung.“
Die Kinder selbst indes verdienen nicht nur in ihrer Hauptfunktion, sondern auch mit der administrativen Ressource. Mit ihren Familiennamen nämlich gehören sie zu den attraktivsten Adressen für andere Geschäftsleute, um Angelegenheiten auf dem kurzen Dienstweg ganz oben zu regeln. „Reschalschiki“(„Problemlöser“) heißen sie daher im Russischen. Als einer der begehrtesten in der Szene – so ein russischer Privatunternehmer im Gespräch – gelte Putins Schwiegersohn Schamalow.