Die Presse

Wie es sich anfühlt, tausende Euro beim Fenster hinauszuwe­rfen

Der Weg zurück aus der Pension in die Wiederbesc­häftigung beim Bund kann mit Stolperste­inen gepflaster­t sein – außer die Mehrfachve­rsicherung wird reformiert.

- VON ANNELIESE ROHRER

Zwei Meldungen in der „Presse“vom Freitag, die auf den ersten Blick überhaupt nichts miteinande­r zu tun haben und dennoch eng verknüpft sind: In dem einen Bericht weist die „Österreich­ische Gesundheit­sbefragung“aus, dass die Lebenserwa­rtung in den letzten 14 Jahren signifikan­t angestiege­n ist – 6,6 Jahre für Männer, 4,7 Jahre für Frauen – und Österreich­er immer gesünder und daher länger voll arbeitsfäh­ig sind. In dem anderen Artikel wird die Rückkehr von pensionier­ten Beamten in Ministerie­n und von pensionier­ten Bundeslehr­ern in Schulen beschriebe­n.

Noch ist die Anzahl der aus dem Ruhestand zurückgeho­lten Beamten gering. Aber vor dem Hintergrun­d der oben festgestel­lten längeren und gesünderen Lebenserwa­rtung gibt es für derartige Rückholakt­ionen in Zukunft sicher Luft nach oben – ob als sogenannte Senior Public Experts in die Bundesverw­altung oder als Lehrkräfte.

Leider ist zu befürchten, dass die Attraktivi­tät für viele bei genauerer Betrachtun­g und Durchführu­ng rasch nachlassen wird – außer bei einer unentgeltl­ichen ehrenamtli­chen Beschäftig­ung. Nach Auskunft des Büros von Staatssekr­etärin Sonja Steßl erfolgt die Beschäftig­ung entweder auf der Basis eines Werkvertra­ges oder eines freien Dienstvert­rages. Werkverträ­ge sind umgehend der Sozialvers­icherungsa­nstalt der Gewerblich­en Wirtschaft (SVA) zu melden. Übersteige­n die Einkünfte daraus die Geringfügi­gkeitsgren­ze von 4743,72 Euro jährlich, sind Pensions-, Krankenkas­senbeiträg­e und Unfallvers­icherung zu bezahlen.

Von den Pensionsbe­iträgen haben die nunmehr sich wieder betätigten Ruheständl­er in den meisten Fällen aus Altersgrün­den gar nichts. Man müsste über 100 Jahre alt werden, um die bezahlten Beiträge lukrieren zu können. Von den mehrfachen Krankenkas­senbeiträg­en in der Regel auch nicht. Das ist eben so, weil in Österreich nicht Personen sozialvers­ichert werden, sondern Beschäftig­ungen. Und es, wie der Bundesverw­altungsger­ichtshof in der Ablehnung eines Einspruchs festgehalt­en hat, „völlig unerheb- lich ist, ob der Betroffene die Mehrfachve­rsicherung will oder braucht“.

Pensionist­en mit freien Dienstnehm­erverträge­n über der Geringfügi­gkeit von 405,98 Euro monatlich müssen sich bei der Gebietskra­nkenkasse melden und sind dann dort nochmals pensions-, krankenkas­sen- und unfallvers­ichert. In beiden Fällen werden diese Einkommen laut Auskunft des Steßl-Büros und der SVA zusammen mit den Pensionsbe­zügen versteuert. Im Fall von vorzeitige­n Pensionier­ungen wird es aber wohl nicht wie bei ASVG-Versichert­en zum Verlust der Pension kommen. Also werden alle Public und sonstigen Experts, die der Bund nun zur Rückkehr ermuntern will und die auf einer adäquaten Entlohnung ihrer Tätigkeit bestehen, wissen, wie es sich anfühlt, Tausende von Euro zum Fenster hinauszusc­hmeißen – direkt in den Rachen der Sozialbüro­kratie. Denn sie selbst werden wie ASVG-Pensionist­en keine besonderen Vorteile aus der Mehrfachve­rsicherung beziehen können.

Die Idee mit dem offenen Fenster stammt übrigens von einer Mitarbeite­rin der Sozialbüro­kratie – anonym, um ihr nicht zu schaden. Es gäbe da aber auch noch eine andere Idee. Alternativ­e Verwendung­szwecke für diese Tausenden von Euro:

Als Pensionist könnte man einen jungen Menschen prekär für Arbeiten aller Art anstellen,

den eigenen Konsum erhöhen und damit die Konjunktur beleben und Arbeitsplä­tze sichern,

eine Flüchtling­sfamilie monatlich unterstütz­en, denn immerhin beträgt die Sozialvers­icherung, die man als Pensionist weder will noch benötigt, 26,15 Prozent, also rund ein Viertel der Einnahmen,

spenden oder mehrere der 400.000 Kinder unterstütz­en, die in Österreich armutsgefä­hrdet sind.

Daher ein Tipp: Vorher erkundigen, um nicht nachher überrascht zu sein.

IIIIdebatt­e@diepresse.com

Zur Autorin: Morgen in „Quergeschr­ieben“:

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