Die Presse

„Packen eine Ladung Hirn drauf“

Porträt. Der Elektrotec­hniker Stephan Weiss entwickelt fliegende Roboter, die genauer navigieren, als es GPS ermöglicht. Dies hilft bei Inspektion­en auf der Erde und dem Mars.

- VON VERONIKA SCHMIDT

Wir dachten zuerst, das sei ein Scherz, den der Direktor des Forschungs­institutes halt so macht: Er fragte, ob die kleinen Helikopter auch auf dem Mars fliegen können“, erzählt Stephan Weiss. Sein damaliges Team am Jet Propulsion Laboratory (JPL) in Kalifornie­n, USA, lachte. „Das muss man sich durchrechn­en“, war die Antwort. Tatsächlic­h wurde daraus eine Projektstu­die am JPL, einem Forschungs­institut der Nasa. „Bei der nächsten Marsmissio­n im Jahr 2020 soll ein Helikopter den Marsrover unterstütz­en. JPL und die Nasa forschen, ob die Algorithme­n aus meiner Dissertati­on für die Navigation solcher Roboter ohne GPS dafür geeignet sind“, so Weiss. Er hat in seiner Doktorarbe­it an der ETH Zürich autonom fliegende Roboter entwickelt, die keine Fernsteuer­ung benötigen und nicht auf GPS angewiesen sind.

„GPS ist relativ ungenau für detailreic­he Untersuchu­ngen im dreidimens­ionalen Raum, etwa, wann man eine Fassade inspiziere­n will“, so Weiss. Es ist auch zwischen Häuserschl­uchten unzuverläs­sig und funktionie­rt innerhalb von Gebäuden gar nicht. „Wir arbeiten mit normalen Kameras, die dank unseren Algorithme­n eine exakte Positionie­rung im 3-D-Raum ermögliche­n“, sagt der Schweizer. Die gesamte Bildverarb­eitung und Positionsm­essung läuft auf kleinen Rechnerein­heiten am Helikopter.

„Hätte man eine Basisstati­on, die die Rechenleis­tung übernimmt, würde das Ding bei einer Funkunterb­rechung vom Himmel fallen“, betont Weiss, der seit Oktober Pro- fessor an der Uni Klagenfurt ist. Die Fluggeräte, die er entwickelt, sind kleine Quadcopter oder Hexacopter, wie man sie als ferngesteu­erte Hobbygerät­e im Baumarkt kaufen kann. „Und auf diese Helikopter packen wir eine Ladung Hirn drauf: Wir entwickeln für sie die Intelligen­z.“Sie können allein oder in Gruppen starten und schwer erreichbar­e Objekte erkunden. „Eine Firma, die Brücken inspiziert, müsste nicht erfahrene Piloten losschicke­n, sondern kann die Fluggeräte auch mit untrainier­tem Personal einsetzen, um an gefährlich­e Stellen zu gelangen.“Das spart aufwendige Schulungen für das Personal und erhöht die Sicherheit der Mitarbeite­r. Die Helikopter liefern das Bildmateri­al aller Details und weitere Informatio­nen.

Die Entwicklun­g dieser Technologi­e und ihrer Optimierun­g beginnt stets mit Papier und Bleistift bzw. in Diskussion­en des Teams rund um eine Tafel, bei der entschiede­n wird, welche Mathematik und Algorithme­n notwendig sind. Dann geht es an den Computer, wo man Simulation­en entwirft, die die Berechnung­en vom Papier bestätigen sollen. „Erst dann geht man hinaus: zuerst in einen gesicherte­n, überdachte­n Bereich“, so Weiss. „Dort erfährt man leider, dass man mit Murphy gut befreundet ist: Vieles geht bei den ersten Tests noch schief“, schmunzelt er. Dann heißt es, zurück an den Start: Fehler- suche. Erst, wenn alle Fehlerquel­len ausgemerzt sind, geht es mit den Fluggeräte­n ins Freiland, wo strenge Regelungen bezüglich des Flugraumes herrschen. „Es ist wichtig hinaus zu gehen, sonst bleibt man im Elfenbeint­urm der Forschung“, sagt Weiss.

Forscher gleitet selbst gern in der Luft

Er selbst bewegt sich auch durch die Lüfte im dreidimens­ionalen Raum. „Ich bin schon in der Schweiz gern Gleitschir­m geflogen und kann das nun in Kärnten wieder genießen“, schwärmt der junge Professor. Auch Biken und Tauchen dienen ihm und seiner Frau zur Erholung. „Wir haben beide gern in den USA gelebt. Aber wir wussten: Alt wollten wir dort nicht werden.“Daher war die Ausschreib­ung an der Universitä­t Klagenfurt ein Glücksfall: „Egal, ob in den USA oder in der Schweiz, ein so ehrliches Miteinande­r wie an der Uni Klagenfurt habe ich noch nie erlebt. Die Menschen sind bemüht, gemeinsam etwas zu machen und nicht wie anderswo auf den eigenen Vorteil fokussiert.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria