Der globalisierte Monnet
Schwindlig wird mir, als sie von Monnets Achterbahn der Globalisierung erzählt. Einst von Jean Monnet selbst geführt, wurde die Firma 1963 an Scharlachberg, Deutschland, verkauft. Dann an Asbach, Deutschland. Dann an den Marktführer LVHM-Hennessy – „der hat sich nur für die Lagervorräte interessiert“. Dann an die Finanzgruppe CL, Trinidad und Tobago. Dann wegen CL-Bankrott an den Staat Trinidad. Dann, 2013, an den Mischkonzern EDV SAS, Frankreich.
Cognac, Logis de Montignac, das Anwesen der Cousins zweiten Grades, ist, wie angekündigt, „enorm“. Jacques Szersnovicz, 73, empfängt mich in einem altmodischen Hofratsaufzug. Einmal sehe ich in die Küche hinein. Sie wirkt alt, kalt, unbehaglich. Szersnovicz, Autor des Aufsatzes „Polen und Jean Monnet“, verbreitet sich über die Herkunft seines Namens. Da seine galizischen Ahnen Jahrhunderte vorher aus Pommern gekommen waren und da jenes Pommern weitere Jahrhunderte vorher dänisch gewesen war, bat er dänische Politiker um Spenden für eine Monnet-Konferenz. Die Dänen zeigten sich unverständig, also drückt er mir das Manuskript seines nie gehaltenen Vortrags in die Hand.
Der einzige Monnet-Begeisterte der Familie nennt Jean Monnet einmal einen „ausgezeichneten Technokraten“, ein andermal den „Createur einer Zivilisation“. Das „wahre Problem“sieht er auch – „dass Europa nur die Eliten verstehen“. Er selbst kannte Jean Monnet kaum, dieser kehrte im Alter nicht nach Cognac zurück. „Es gibt ja kein intellektuelles Leben hier!“Szersnovicz führt mich in den Garten, in welchen der kleine Jean Monnet seinerzeit zum Spielen kam. Heute ein langgezogener Urwald, der nur noch an einem Pfad betretbar ist. Seitlich ein Tennisplatz, aus dem Unkraut sprießt. Dahinter drei verpachtete Hektar Weinreben, Rohstoff für Cognac von wir wissen nicht welcher Marke. Im Garten zeigt mir der Cousin zweiten Grades des Gründervaters der Europäischen Union einen Baum. „Die Stürme werden immer schlimmer“, sagt er mit aufgerissenen Augen. „Der Baum wurde total entwurzelt.“
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