Die Presse

Was bleibt von den Sätzen?

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Zu erwarten war das nicht, dass sich die beiden so gut verstehen würden. In dem Schauspiel­er wütete noch die alte elisabetha­nische Theaterlei­denschaft, der Dramatiker hingegen war als Umstürzler des bürgerlich­en Theaters bekannt. Der Engländer sprach kein Wort Deutsch, der Deutsche nur wenig Englisch. Ersterer war korpulent, der Zweite in jungen Jahren eher schlaksig. Der eine verdankte dem Film seine Berühmthei­t (unter anderem als „Glöckner von Notre Dame“), dem anderen wurde schon beim Wort „Script“schlecht. Von ihren politische­n Einstellun­gen ganz zu schweigen.

Und doch arbeiteten sie am Ende des großen Kriegs fern vom in Schutt und Asche versinkend­en Europa einträchti­g an der Bühnenfass­ung eines Stückes des Dramatiker­s. Dazu war es erst einmal nötig, das 1943 in Zürich uraufgefüh­rte Schauspiel zu übersetzen. Bei den Fremdsprac­henkenntni­ssen der beiden kein leichtes Unterfange­n. Sie probierten es deshalb so: Der Autor rezitierte vor dem Darsteller in schlechtem Englisch und zur Not auch auf Deutsch mit hölzernen Gesten eine Szene, der Mime spielte sie dann in besserem Englisch und runderen Bewegungen nach. Die längeren Monologe nahmen sie sich gesondert vor.

Dazu gehörte vor allem der Schlussmon­olog: eine Selbstankl­age des Protagonis­ten des Stücks. Vor dem Hintergrun­d des Abwurfs der Atombomben im Sommer 1945 mussten sie diese Szene ändern. Ging es ursprüngli­ch in erster Linie um das Thema Machtmissb­rauch, so rückte der Dramatiker in der neuen Fassung die politische­n Bedingunge­n der Wissenscha­ft in den Vordergrun­d. Der Schauspiel­er änderte die Sätze wieder und wieder und spielte sie dem Dramatiker so lange vor, bis der sagte: „That’s it.“

Das hatte den Effekt, dass der Mime dem Dichter vor Augen führte, wie unwichtig im Grunde der Text sei. Rückblicke­nd stellte der Autor deshalb nicht ohne Bewunderun­g fest, dass die Darstellun­gskunst die Texte verschling­e „wie Improvisat­ionen für einen alles geltenden Augenblick“. Es bleibe von seinen Sätzen letztlich nur das „Souvenir an das Vergnügen“übrig. Der Freundscha­ft der beiden tat das keinen Abbruch, auch wenn sich ihre Wege bald nach der Premiere des Stücks im Coronet Theatre in Beverly Hills am 30. Juli 1947 trennten.

Wer traf wen? Wie heißt das Stück, an dem die beiden arbeiteten?

Q

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