„Ein Jahr zurück an die Uni ist überholt“
Interview. Barbara Stöttinger leitet seit 1. Oktober die Executive Academy der WU Wien. Die neue Dekanin über die Zukunft von MBA-Ausbildungen, Vor(ur)teile, Regionalität – und ihre weiteren Pläne zur lebenslangen Weiterbildung.
Die Presse: MBA werden immer wieder infrage gestellt: Überteuerung, Mogelpackungen, Titelhandel lauten die Vorwürfe. Glauben Sie, dass es in zehn oder zwanzig Jahren noch Masterof-Business-Administration-Programme in der heutigen Form geben wird? Barbara Stöttinger: Ich glaube, dieses Format wird nicht so schnell verschwinden, wenn man sich ansieht, wie lang es schon Business Schools gibt. Die ersten wie Insead in Paris wurden Ende der 1950er-Jahre gegründet, und es hat sich seither irrsinnig viel getan. Wenn man ein umfassendes und tief gehendes Bild des Wirtschaftens bekommen will, dann ist ein MBA noch immer eine ideale Form.
Geht der Trend nicht eher zu kürzeren, kompakteren Ausbildungen? Wenn ich mich nur mit Leadership, nur mit Marketing und Sales oder nur mit Finance beschäftigen will, dann reicht eine Kurzausbildung. Wenn ich aber von vielen Dingen einen Eindruck bekommen möchte, dann braucht es diese ein- einhalb Jahre. Nur so lernt man vernetztes Denken und Brücken zu schlagen, Querverbindungen herzustellen. Was sich immer wieder ändern wird, sind die Inhalte und die Darbringungsformen. Für die Weiterbildung ein ganzes Jahr zurück an die Universität zu gehen, ist heute aus meiner Sicht zum Beispiel überholt.
Was wünschen sich denn die Teilnehmer? Viele sagen uns, das Tolle an den Programmen sei, nach einem Lernwochenende am Montag ins Büro zurückzukommen und das Gelernte sofort anwenden zu können. Deshalb glaube ich, dass Part-Time-Module sehr gut passen.
Frauen sind im Management immer noch weniger vertreten. Kann ein MBA speziell Vorteile für weibliche Führungskräfte bringen? Wir sehen, dass der Frauenanteil in unseren Programmen ständig zunimmt, und dass zum Beispiel ein Programm wie der MBA Energy Management vergangenes Jahr einen Frauenanteil von 39 Prozent verzeichnete. Aber wir haben eben noch nicht fifty-fifty, wie es eigentlich der Bevölkerung entsprechen würde. Ich möchte nicht in die Schiene geraten, dass Frauen arme Hascherln sind, die ermutigt werden müssen. Unsere Teilnehmerinnen sind gestandene Frauen, die das absolut nicht nötig haben.
Woran liegt es dann? Vielleicht sind Frauen weniger forsch im Einfordern von Weiterbildung in ihren Unternehmen, oder sie sind nach wie vor weniger auf dem Radar der Chefs, wenn es um höhere Positionen im Unternehmen geht. Als wichtigen Vorteil, den ein MBA mit sich bringt, sehe ich vor allem das Networking. Männer vernetzen sich schon viel länger, und Frauen haben mit einem MBA Gelegenheit, auch in Männernetzwerke zu kommen. Insgesamt glaube ich, dass bei beiden Geschlechtern im Beruf manchmal das Selbstbewusstsein fehlt zu sagen: Mein Können entspricht allen Regeln der Kunst. Und dieses Selbstbewusstsein kann man durch einen MBA stärken.
Sie haben – wenn es nach den Rankings geht – die Executive Academy in sehr gut aufgestelltem Zustand übernommen. Sie liegt zum Beispiel laut „Financial Times“an vierter Stelle im deutschsprachigen Raum. Was ist noch zu verbessern? Einfach dran zu bleiben, um Erreichtes wieder zu erreichen, ist die grundlegende Aufgabe. Aber zu verbessern gibt es grundsätzlich immer etwas. Insofern wird es keine Revolution geben, wohl aber eine Evolution. Was sind konkrete Arbeitsfelder? Es ist in den vergangenen Jahren sehr gut gelungen, ein internationales Profil aufzubauen. Aber wir spüren in den Rankings sehr stark, dass der Druck aus Asien immer stärker wird und dort immer mehr Business Schools gemeinsam mit amerikanischen Partnern auf den Markt gehen. Unsere andere Stärke hat mit der geopolitischen Lage zu tun. Wir haben gute Kontakte zu Westeuropa, nützen auch die Nachbarschaft zum CEE-Raum und haben daraus eine Position entwickelt, die uns nicht so leicht zu nehmen ist und die auch nicht zu kopieren ist. Diesen Rang zu verteidigen bedeutet, unsere Programme immer weiterzuentwickeln und nächstes Jahr damit wieder in eine neue Runde zu gehen.
Gibt es auch ganz Neues? Was uns beschäftigt, ist, wie ein Konzept aussehen kann, das berücksichtigt, dass Leute, die hier ih- ren MBA gemacht haben und dann meist um die 35 Jahre alt sind, auch danach immer weiter lernen werden müssen. Weil sie noch mindestens 30 Berufsjahre vor sich haben. Und es wird auch immer wieder zu überlegen sein, wie wir Inhalte vermitteln können: Wie gehen wir mit Blended Learning um? Wie viel Online-Anteile kann ein MBA haben? Radikal Neues braucht man eigentlich gar nicht zu versprechen, weil die Weltwirtschaft von sich aus immer wieder neue Fragen aufwirft. Wenn zum Beispiel die russische Wirtschaft im Sinkflug begriffen ist, was viele unserer Studierenden im CEE-Raum betrifft, oder wenn unsere Studierenden im Energy-ManagementMBA mit dem fallenden Ölpreis konfrontiert sind, dann ist die Aufgabe groß genug, hier immer wieder passende Antworten zu finden.
Sie kommen aus dem Marketingbereich. Wie würden Sie die Marke Executive Academy beschreiben? Da fällt mir einer unsere Aufsteller ein, den ich heute früh gesehen habe. Darauf steht „World Class Education in the Heart of Europe“. Ich glaube, dass es das ziemlich gut trifft – eine internationale Ausbildung mit Fokus auf unsere Region. Ich habe ja, bevor ich Dekanin wurde, acht Jahre lang den Professional MBA Marketing und Sales geleitet. Und da haben mir viele Teilnehmer gesagt: Wenn man in dieser Region tätig sein will, ist man gut aufgehoben.