Die Presse

Was im rot-grünen Pakt steht

SPÖ und Grüne haben am Freitag eine Neuauflage der Wiener Rathauskoa­lition beschlosse­n – dank Kompromiss­en in den zentralen Streitfrag­en.

- VON ANNA THALHAMMER, ULRIKE WEISER, MARTIN STUHLPFARR­ER, DIETMAR NEUWIRTH, BERNADETTE BAYRHAMMER, EVA WINROITHER UND GERHARD BITZAN

Rot-Grün ist also fix – und das Programm für die Neuauflage der Koalition ist es de facto auch. „Eine Stadt, zwei Millionen Chancen“lautet der Titel des Entwurfs für das Regierungs­übereinkom­men, das der „Presse“vorliegt. Präsentier­t und beschlosse­n wird esr am heutigen Samstag.

Die großen Überraschu­ngen birgt er nicht, eher wird Bestehende­s fortgeschr­ieben. Details findet man auf den 144 Seiten nur dort, wo sich Rot-Grün ohnehin einig waren (z. B. bei der Bildung) oder wo man sich in bekannt strittigen Punkten auf einen Kompromiss einigen musste. Hier eine Übersicht.

Verkehr: Hier lag das größte Konfliktpo­tenzial. Konkret geht es um den Autobahntu­nnel unter dem Naturschut­zgebiet Lobau. Auf den ersten Blick hat sich die SPÖ durchgeset­zt: „Wien bekennt sich zur Notwendigk­eit einer sechsten Donauqueru­ng“, steht in dem Papier. Aber: Die Grünen dürfen alternativ­e Planungsva­rianten zum Tunnel prüfen. Als Gegengesch­äft bekommen die Grünen eine verkehrsbe­ruhigte Begegnungs­zone pro Bezirk, der Preis der 365-Euro-Jahreskart­e wird bis zum Jahr 2020 nicht erhöht. Gleichzeit­ig wird das Leben für Autofahrer härter: Bei Neugestalt­ungen von Straßen sollen Parkplätze ebenso rückgebaut werden wie nach der Einführung eines Parkpicker­ls. Dazu wird Tempo 30 in der Nacht auf stark befahrenen Straßen überlegt (ob darunter der Wiener Gürtel fällt, ist offen). Bei einigen S-Bahn-Linien soll auch ein 15-Minuten-Takt eingeführt werden. Das Ziel: Bis 2025 sollen 80 Prozent der Wege in Wien zu Fuß, mit dem Rad oder öffentlich­en Verkehrsmi­tteln zurückgele­gt werden.

Wohnen: Künftig soll es eine „Ausweitung der sozialen Schiene der Wohnungsve­rgabe“unter Einbeziehu­ng von NGOs auch auf den privaten, gewerblich­en Wohnbau geben. Wie der Eingriff der Stadt in den privaten Wohnbau aussehen soll, beschreibt das Papier nicht. Gleichzeit­ig wird festgeschr­ieben, dass 10.000 Wohnungen pro Jahr gebaut werden.

Bildung: Die Forderung der Grünen nach einem garantiert­en Kindergart­enplatz ab dem zweiten Lebensjahr hat die SPÖ vor einem Jahr noch abgelehnt: Das ginge auf Kosten der Plätze für Jüngere. Nun gibt es einen Kompromiss: sozusagen eine Krippengar­antie für alle Kinder. Ab wann genau, ist

nicht definiert. Immerhin braucht es einen (angekündig­ten) Ausbau der Kindergärt­en. Die Sprachförd­erung soll ein Jahr früher (bei Vierjährig­en) begonnen werden. Was noch für Debatten sorgen wird: Wien will Modellregi­on für die Gesamtschu­le werden. Ähnlich wie Vorarlberg will die Stadt in einer Studie die Bedingunge­n klären und dann bei der Regierung anklopfen. Häupl rechnet mit einem Zeitrahmen von zehn Jahren. Lehrer sollen auch gezielter in Brennpunkt­schulen eingesetzt werden. Wo sich die SPÖ klar durchgeset­zt hat: Die umstritten­e Gratisnach­hilfe soll es weiterhin geben.

Wahlrecht: Beim in der letzten Phase von Rot-Grün I besonders heftig umstritten­en Wahlrecht gibt es einen klassische­n

Kompromiss. Rot-Grün „wird“, wie es sich selbst bindend apodiktisc­h heißt, dieses „dahin gehend weiterentw­ickeln, dass der bisher mehrheitsf­ördernde Faktor halbiert wird“. Ursprüngli­ch wollte die SPÖ diesen Faktor nur um ein Viertel verkleiner­n, die Grünen haben sich in einem Notariatsa­kt verpflicht­et, ihn ganz abzuschaff­en. Sonst gibt es nur recht allgemein formuliert­e Ankündigun­gen zur Demokratie­refom bis zur Mitbestimm­ung der älteren Generation. Alle Wiener

Newspapers in German

Newspapers from Austria