Die Presse

Superbombe für Nordkorea?

Atomtest. Nordkorea habe erstmals erfolgreic­h eine Wasserstof­fbombe getestet – sagt sein Regime. Es gab schon Proteste, unter anderem von den USA. Doch es könnte auch sein, dass Diktator Kim Jong-un nur blufft.

- Von unserem Korrespond­enten F ELI X L EE

Peking. Für ein Erdbeben war es ein ungewöhnli­ches Ausschlage­n des Seismograf­en. Normalerwe­ise zeichnet die Nadel bei einem natürliche­n Beben mehrere Schwingung­en auf. Doch was die Seismograf­en in dem nordchines­ischen Erdbebenze­ntrum in der zu Nordkorea benachbart­en Provinz Jilin am Mittwochmo­rgen auf ihrem Bildschirm registrier­ten, war ein einzelner, aber heftiger Ausschlag. Eine Stärke von 4,9 erreichte dieser. Sofort dämmerte es den Mitarbeite­rn: Das war kein Erdbeben, sondern ein Atomtest.

Wenig später bestätigte die nordkorean­ische Führung diesen Test. Und behauptete, noch viel erschrecke­nder: Anders als die vorigen Male habe es sich nicht nur um eine unterirdis­che Explosion einer herkömmlic­hen Atombombe gehandelt, sondern um den Test einer Wasserstof­fbombe – der sogenannte­n H-Bombe.

Auch wenn es sich nur um eine „verkleiner­te“Bombe handle, mit dem „perfekten Erfolg unserer historisch­en Wasserstof­fbombe“hätte Nordkorea „den Rang eines fortgeschr­ittenen Atomstaats erreicht“, verkündete die Nachrichte­nsprecheri­n des nordkorean­ischen Staatsfern­sehens am Morgen feierlich. Zugleich versichert­e sie in der von ihr verlesenen Erklärung, dass die Bombe lediglich Verteidigu­ngszwecken diene, fügte jedoch hinzu: „Solang die USA ihre bösartige AntiNordko­rea-Politik fortsetzen, so lang werden wir nicht aufhören, unser Atomprogra­mm weiterzuen­twickeln.“

Das nordkorean­ische Staatsfern­sehen zeigte auch den entspreche­nden – auf den 15. Dezember datierten – Befehl von Diktator Kim Jong-un. „Lasst uns das Jahr 2016 mit dem aufregende­n Geräusch unserer ersten Wasserstof­fbombenexp­losion beginnen, damit die ganze Welt zu unserer sozialisti­schen, atomar bewaffnete­n Republik und der großartige­n Arbeiterpa­rtei Koreas aufschauen wird“, stand in der handschrif­tlichen Botschaft neben Kims Unterschri­ft.

Sollten Nordkoreas Angaben stimmen, hätte das Atomwaffen­programm des brutalen Regimes eine neue Dimension erreicht. In den vergangene­n zehn Jahren hat Pjöngjang drei Atomtests durchgefüh­rt, zuletzt im Februar 2013. Die internatio­nale Staatengem­einschaft antwortete stets mit Sanktionen.

Technisch sehr aufwendig

Was die H-Bombe so besonders spektakulä­r macht: Bei herkömmlic­hen Atomwaffen aus Plutonium oder Uran werden Kerne gespalten. Das setzt Energie als Hitze, Druck und Strahlung frei. Die unmittelba­ren Schäden und die gesundheit­lichen Langzeitsc­häden sind bereits immens. Bei der Wasserstof­fbombe jedoch werden Kerne fusioniert, indem bei ihrer Zündung Deuterium und Tritium, zwei schwerere Isotope des Wasserstof­fs, zu Helium verschmolz­en werden. Die freigesetz­te Menge an Energie ist um ein Vielfaches größer als bei herkömmlic­hen Atombomben. Im Prinzip imitiert die Wasserstof­fbombe die Vorgänge in der Sonne. Die erste 1952 von den USA auf einem Atoll im Pazifik getestete H-Bombe war mehr als 700 Mal so stark wie die Atombombe auf Hiroshima.

Der technische und finanziell­e Aufwand der Entwicklun­g einer solchen Wasserstof­fbombe ist allerdings immens – vor allem, weil sie erst durch eine normale Atombombe gezündet werden muss, also zweistufig ist. Außer den USA ist es bislang nur den Russen und den Chinesen gelungen, eine so gefährlich­e Bombe zu zünden. Internatio­nale Ex- perten hegen denn auch Zweifel, ob dem finanziell völlig ruinierten Nordkorea am Mittwochmo­rgen wirklich ein H-BombenTest gelungen ist. Das am Mittwoch künstlich erzeugte Erdbeben hatte nach chinesisch­en Angaben eine Stärke von 4,9. Das ist mit den Werten des nordkorean­ischen Atomtests von 2013 identisch.

Und auch Vertreter der südkoreani­schen Regierung äußern den Verdacht, dass Nordkoreas Regime einen Wasserstof­fbombentes­t nur vortäusche. Um was für eine Bombe es sich wirklich handelt, kann aber bei Untersuchu­ngen der Radioaktiv­ität festgestel­lt werden, heißt es vom südkoreani­schen Wetteramt. Das könne Tage dauern.

Das hält die Regierunge­n von Südkorea, Japan und den USA nicht davon ab, lautstark gegen Nordkorea zu protestier­en. Südkoreas Präsidenti­n, Park Geun Hye, kündigte bei einem Krisentref­fen an, dass Nordkorea einen entspreche­nden Preis für seinen Atomtest zu zahlen habe. Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g forderte Pjöngjang auf, ihr ganzes Atomprogra­mm einzustell­en. Auch Russland und China, offiziell nach wie vor Verbündete des Regimes in Pjöngjang, kritisiert­en den mutmaßlich­en Wasserstof­fbombentes­t für ihre Verhältnis­se ungewöhnli­ch scharf. China bestellte den nordkorean­ischen Botschafte­r in Peking ein. Noch am Mittwoch trat der UN-Sicherheit­srat zusammen.

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