Kölner Silvesternacht
aber auch gegen Tabus aus. Insgesamt sind im vergangenen Jahr 1,1 Millionen Asylwerber nach Deutschland eingewandert. Nordrhein-Westfalen hat mit 21 Prozent die meisten Schutzbedürftigen aufgenommen.
3 Wie ist die rechtliche Situation bei Flüchtlingen?
Asylwerber, die nicht den Status nach Genfer Flüchtlingskonvention erhalten haben, können sofort abgeschoben werden. Asylwerber, deren Verfahren läuft, oder anerkannte Flüchtlinge, können nicht einfach abgeschoben werden. Artikel 33 der Genfer Flüchtlingskonvention sieht allerdings vor, dass Personen, die „aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen sind . . . oder eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeuten, weil sie wegen eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurden“, ihre Vergünstigungen als nicht abschiebbare Schutzbedürftige verlieren. In Deutschland gilt bisher die Regel, dass sich erst eine Haftstrafe von drei Jahren auf das Bleiberecht auswirkt.
4 Hat die Kölner Polizei in der Tatnacht Fehler begangen?
Das sieht unter anderen Innenminister Thomas de Maiziere´ so. Er wirft der Polizei vor, zu spät reagiert zu haben: „Da wird der Platz geräumt, und später finden diese Ereignisse statt, und man wartet auf Anzeigen. So kann die Polizei nicht arbeiten“, erklärte er der ARD. Polizeigewerkschafter Wendt nannte die Vorwürfe des Ministers „unanständig“und forderte mehr Personal. Kölns Exekutive verteidigte sich mit dem Hinweis, dass das ganze Ausmaß der Übergriffe erst durch die spätere Anzeigewelle klar wurde. Polizeipräsident Albers räumte zumindest eine schwere Fehleinschätzung ein: Sie hatte Kölns Polizei am Neujahrstag in einer Aussendung unter dem Titel „Ausgelassene Stimmung – Feiern weitgehend friedlich“die Einsatzlage in der Silvesternacht als „entspannt“bezeichnet und ihr eigenes Vorgehen gelobt.
5 Haben die Ereignisse in Köln eine Hetze gegen Flüchtlinge ausgelöst?
In sozialen Medien wurde sehr rasch ein Zusammenhang zwischen den Gewalttaten gegen Frauen und der aktuellen Flüchtlingswelle hergestellt. Auf Facebook wurde für eine gewaltsame Gegenwehr in Köln geworben. Die Gruppe Altstadtspaziergang rief dazu auf, gemeinsam loszuziehen, „um die Stadt zu reinigen“. Die rechte Gruppe Pro Köln nutzte die Tags „Asylwahnsinn“und „Ausländerkriminalität“. Einige der Einträge wurden später gesperrt. Sehr rasch wurde auf Twitter ein genereller Verdacht gegenüber allen Moslems bei sexuellen Attacken gegen Frauen formuliert. So war etwa von „gewaltlegitimierenden Männlichkeitsnormen in muslimischer Kultur“die Rede. Die Chefin der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD), Frauke Petry, sagte, obwohl es noch keinen Beleg für eine Beteiligung von Flüchtlingen gab, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, die Übergriffe seien eine „Auswirkung der unkontrollierten Zuwanderung nach Deutschland“.
6 Haben deutsche Medien zu spät oder zu wenig von den Vorfällen berichtet?
Tatsache ist, dass die großen deutschen TVSender erst sehr spät von den Vorfällen in der Silvesternacht berichtet haben. Der ZDF hat sich dafür entschuldigt. „Die Nachrichtenlage war klar genug. Es war ein Versäumnis, dass die 19-Uhr-heute-Sendung die Vorfälle nicht wenigstens gemeldet hat“, so der stellvertretende Chefredakteur Elmar Theveßen. Der CSU-Politiker Hans-Peter Friedrich sprach von einem „Schweigekartell“der Medien. In sozialen Medien wurde auch der ARD vorgeworfen, sie halte sich aus falscher Solidarität mit Flüchtlingen bei der Berichterstattung zurück. Zahlreiche andere Medien haben relativ rasch Zeugenaussagen zusammengefasst und umfassend berichtet. Die Organisation Reporter ohne Grenzen verteidigte die vorsichtige Berichterstattung einiger Medien. Eine reine „Verdachtsberichterstattung“sei in jedem Fall brandgefährlich.
7 Welche Maßnahmen werden nun gesetzt, um solche Vorfälle zu verhindern?
Unter anderem mit mehr Überwachung. So sollen schon beim nächsten Großereignis, dem Kölner Karneval, sogenannte mobile Videoüberwachungs-Anlagen zum Einsatz kommen. Die Zahl der uniformierten wie zivilen Polizisten wird erhöht. Auch ein Betretungsverbot für bereits aufgefallene Straftäter wird erwogen. Das Team zur Ermittlung der Vorfälle vor dem Hauptbahnhof wurde auf 80 Sicherheitsbeamte aufgestockt. Spott und Hohn erntete Kölns parteilose Oberbürgermeisterin Henriette Reker, die Frauen als Verhaltenstipp empfahl, „immer mindestens eine Armlänge Abstand zu halten“.