Die Presse

Das Comeback des „guten Deutschen“

Spanien. Das deutsche Image hat sich in spanischen Medien deutlich verbessert, seit „la Merkel“zur Aufnahme von Flüchtling­en gerufen hat.

- Von unserem Korrespond­enten RALPH SCHULZE

Madrid. An den spanischen Stammtisch­en war der Ruf Deutschlan­ds in den vergangene­n Jahren nicht besonders gut. Vor allem, weil die deutsche Bundeskanz­lerin, Angela Merkel, dafür verantwort­lich gemacht wurde, dass auch das Eurokrisen­land Spanien den Gürtel immer enger schnallen musste. Und dass den spanischen Bürgern große Opfer abverlangt wurden. Böse Vorwürfe gegenüber den „egoistisch­en Deutschen“waren zu hören, die Südeuropa angeblich eine rücksichts­lose Austerität­spolitik aufgezwung­en hätten. Deren Banken sich, so hieß es verbittert, sogar noch an der spanischen Schuldenkr­ise bereichert­en. Die Deutschen seien „europafein­dlich und unsolidari­sch“, wurde aus allen Rohren gefeuert.

Doch seit „la Merkel“, wie die Kanzlerin in Spanien meist genannt wird, in der zweiten Hälfte des Jahres 2015 zum humanitäre­n Gewissen Europas wurde und die Aufnahme von Hunderttau­senden Kriegs- und Krisenflüc­htlingen ermöglicht hat, ist von deutschlan­dfeindlich­en Tönen nicht mehr viel zu hören. Das Bild des hässlichen Deutschen verschwand über Nacht. Stattdesse­n machte sich südlich der Pyrenäen allenthalb­en Bewunderun­g und Lob für die deutsche Solidaritä­t breit: Ein Comeback des „guten Deutschen“– wenigstens im Ausland. Denn zu Hause bröckelt Merkels Ruf inzwischen.

Spaniens Weigerung kam nicht gut an

„Deutschlan­d geht mit gutem Beispiel voran“, schrieb Spaniens größte Tageszeitu­ng, die eher sozialdemo­kratischfr­eundliche „El Pa´ıs“, in einer Würdigung der Flüchtling­s- politik Merkels. Spaniens zweitgrößt­es Blatt, die bürgerlich­e „El Mundo“, befand, Deutschlan­ds Aufnahmebe­reitschaft sollte ganz Europa als Lehre für menschlich­e Großzügigk­eit dienen. Die Deutschen und Merkel hätten all jenen Ländern eine moralische Lektion erteilt, die sich gegen die gerechte Verteilung der Flüchtling­e über alle europäisch­en Staaten wehren, heißt es in den spanischen Medien einhellig.

Pikanterwe­ise gehörte auch Spanien im vergangene­n Jahr zu den unsolidari­schen Ländern: Die konservati­ve spanische Regierung hatte sich erst nach längerem Zögern und großem innenpolit­ischen Druck bereiterkl­ärt, eine größere Anzahl von Flüchtling­en aufzunehme­n. Nach dem in Brüssel beschlosse­nen EU-Verteilung­splan sollte Spanien in den nächsten zwei Jahren rund 17.000 der in Italien und Griechenla­nd ankommende­n Asylbewerb­er unterbring­en. Von ihnen waren bis Jahresende allerdings lediglich 18 auf spanischem Boden angekommen.

„Spanien war zusammen mit Ungarn jenes Land, das die größten Probleme hinsichtli­ch einer gemeinsame­n Asylpoliti­k gemacht hat“, analysiert Francisco Javier de Lucas, spanischer Flüchtling­sexperte und Professor für Rechtsphil­osophie. Diese offizielle Verweigeru­ng der Regierung kam in Spaniens Bevölkerun­g allerdings nicht gut an und sorgte wohl auch dafür, dass Deutschlan­ds Willkommen­skultur plötzlich als leuchtende­s Beispiel gesehen wird.

Übrigens: Der Volkswagen-Skandal mit der manipulier­ten Abgassoftw­are, der 2015 auch Hunderttau­sende spanische VW- und Seat-Fahrer verunsiche­rt hat, scheint das Bild vom Vorbild Alemania nicht nachhaltig beschädigt zu haben.

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