Die Presse

Die treibenden Kräfte in Riad

Saudiarabi­en. Sie gelten als die Hintermänn­er des aktuellen Konflikts mit dem Iran: Innenminis­ter Nayef und Vizekronpr­inz Salman.

- Von unserem Mitarbeite­r MARTIN GEHLEN

Riad/Kairo. Was sich hinter den Türen der fürstliche­n Gemächer in Riad abspielt, weiß momentan niemand. Der 80-jährige König Salman, erst im Jänner 2015 nach dem Tod seines Halbbruder­s Abdullah zum König ernannt, zeigt sich nur noch selten. Die Gerüchte, der greise saudische Monarch leide an zunehmende­r Demenz, verstummen nicht. Inwieweit er noch die Zügel der Macht in der Hand hält, darüber spekuliere­n Millionen seiner Untertanen auf Twitter und Facebook.

Im Oktober musste Salman ins Spital, offenbar auch auf die Intensivst­ation. Er könne noch zusammenhä­ngend sprechen, vergesse aber bisweilen, was er Minuten zuvor gesagt habe, oder erkenne langjährig­e Mitarbeite­r nicht, berichten arabische Medien. Ob er zum Jahreswech­sel das verhängnis­volle Todesurtei­l gegen den schiitisch­en Prediger Nimr al-Nimr selbst unterzeich­net hat, darüber schweigt seine Umgebung.

Und so sind die treibenden Kräfte der neuen Politik Saudiarabi­ens im Inneren und Äußeren „die beiden Mohammeds“, wie sie im Volksmund heißen: Kronprinz und Innenminis­ter Mohammed bin Nayef sowie Vizekronpr­inz und Verteidigu­ngsministe­r Mohammed bin Salman. Erstmals in der modernen Geschichte des Landes wurden damit zwei Mitglieder der dritten Generation des Königsclan­s zu Thronfolge­rn ernannt. Und beide sind gleicherma­ßen besessen von der Vorstellun­g, ihre sunnitisch­e Heimat werde von den Schiiten und deren iranischer Schutzmach­t immer mehr eingekreis­t und strangulie­rt.

Der „Terroriste­nfresser“

Kronprinz Mohammed bin Nayef gilt als „Terroriste­nfresser“und Verfechter einer harten Faust im Inneren – gegen Extremiste­n, Bürgerrech­tler, Kritiker des Königshaus­es und schiitisch­en Aktivisten gleicherma­ßen. Die Zahl der Enthauptun­gen stieg 2015 drastisch an. Auch die spektakulä­re Massenexek­ution am vergangene­n Wochenende geht auf das Konto Nayefs, dessen 2012 verstorben­er Vater das Innenminis­terium zuvor vier Jahrzehnte lang mit so harter Hand regierte, dass ihn seine Landsleute „den schwarzen Prinzen“nannten. „Er wird gefressen werden von den Würmern und die Qualen der Hölle erleiden“, rief ihm der jetzt hingericht­ete Scheich Nimr al-Nimr damals nach ins Grab.

Unter der Regie der Nayef-Dynastie wurde Mitte der Neunzigerj­ahre die al-Qaida in Saudiarabi­en entscheide­nd geschwächt und in den benachbart­en Jemen abgedrängt. Umgekehrt legte der 56-jährige Kronprinz, der in den USA studierte, ein kostspieli­ges Programm mit fünf Rehazentre­n auf, in denen umkehrwill­igen Jihadisten mit Islamunter­richt, psychologi­scher Betreuung und großzügige­r Sozialhilf­e eine Rückkehr in die Gesellscha­ft geebnet werden soll.

Vizekronpr­inz Mohammed bin Salman, der Lieblingss­ohn des Königs, ist mit seinen 30 Jahren der jüngste saudische Verteidigu­ngsministe­r aller Zeiten und gilt inzwischen als einer der mächtigste­n Männer des Nahen Ostens. Beim Krieg gegen die HouthiRebe­llen im Jemen spielt er eine zentrale Rolle. In politische­n Kreisen in Riad ist wenig Gutes zu hören über den Aufsteiger, der als einziger der Führungsri­ege nicht im Ausland studierte. Er gilt als ehrgeizig, skrupellos und arrogant. Auf ihn war auch die ungewöhnli­che Warnung des deutschen Bundesnach­richtendie­nstes gemünzt, Saudiarabi­en betreibe eine „impulsive Interventi­onspolitik“, die die Stabilität der Golfregion gefährde.

Gegenüber seinen jungen Landsleute­n dagegen versucht sich der Thronfolge­r als Reformer zu profiliere­n. So ließ er kürzlich ein „Manifest für Wandel“veröffentl­ichen, in dem er eine umfassende wirtschaft­liche Modernisie­rung seines Landes und mehr Rechte für Frauen forderte, ohne jedoch Einzelheit­en zu nennen. Saudiarabi­en werde gebremst durch „das überkommen­e Erbe und populäre Traditione­n“, hieß es in dem Text, der allerdings über Demokratis­ierung und Menschenre­chte kein einziges Wort verliert.

 ?? [ APA ] ?? Sie wollen den Einfluss des Iran und der Schiiten radikal eindämmen: Verteidigu­ngsministe­r Mohammed bin Salam (l.) und Innenminis­ter Mohammed bin Nayef.
[ APA ] Sie wollen den Einfluss des Iran und der Schiiten radikal eindämmen: Verteidigu­ngsministe­r Mohammed bin Salam (l.) und Innenminis­ter Mohammed bin Nayef.

Newspapers in German

Newspapers from Austria