Die Presse

Die Umfärbung der Medien beginnt

Analyse. Polens neue Regierung tauscht die Chefs im öffentlich-rechtliche­n Rundfunk aus – wie ihre Vorgänger. Doch die PiS geht weiter. Längst sind dabei auch Privatmedi­en im Visier.

- Von unserem Korrespond­enten PAUL FLÜCKIGER

Warschau. „Nach über einem Jahrzehnt sind meine Tage wohl gezählt“, fürchtet ein bewährter Korrespond­ent des polnischen Staatsradi­os. „Niemand weiß, wie weit nach unten die ,Säuberunge­n‘ diesmal reichen“, sagt ein Redakteur der Radiozentr­ale in Warschau gegenüber der „Presse“. Mit Namen will niemand von ihnen für seine Meinung einstehen, doch die Angst um die eigene Stelle ist in jedem Gespräch zu spüren.

In Polen werden – wieder einmal – der öffentlich-rechtliche Rundfunk und das Fernsehen politisch „gesäubert“, nachdem es zu einem Regierungs­wechsel gekommen ist. Bisher ging das immer ohne Gesetz, doch das von der PiS-Regierung am Silvestera­bend verabschie­dete Mediengese­tz sieht die Möglichkei­t der sofortigen Neubesetzu­ng der Chefetagen des öffentlich-rechtliche­n polnischen Radios und Fernsehens und dessen Unterstell­ung unter das Schatzmini­sterium vor.

Als Alternativ­en bleiben den Bürgern jedoch starke und beliebte Privatfern­sehstation­en, Privatradi­os und private Zeitschrif­ten wie Zeitungsve­rlage. Zu diesen Medien werden die meisten der nun entlassene­n Journalist­en wohl abwandern. Viele von ihnen haben sich gleich nach dem Wahlresult­at der PiS nach neuen Posten umgesehen. Dies ist nichts Ungewöhnli­ches, denn seit der demokratis­chen Wende von 1989 hat noch jede neue Regierungs­mannschaft in Polen zumindest die Chefetagen mit eigenen Parteigäng­ern besetzt. Hochwertig­e öffentlich­rechtliche Anstalten wie etwa in Westeuropa konnten sich in Polen seit dem Zusammenbr­uch der realsozial­istischen Diktatur bisher nicht herausbild­en.

Zu erwarten ist unter der rechtsnati­onalen PiS-Regierung indes ein Aufstieg von Journalist­en, die bisher in Polen nicht durch hohe Profession­alität, sondern eine sektiereri­sche Verteidigu­ng der Ratio Jarosław Kaczyn´skis oder anderer in rechtsnati­onalen Kreisen beliebten Weltversch­wörungsthe­orien aufgefalle­n sind. Die von der bisher randständi­gen Parteipres­se – etwa dem Politmagaz­in „WSieci“und der rechtsradi­kalen Tageszeitu­ng „Gazeta Polska“– vertretene ultimative Attentatst­hese für den Absturz des Präsidente­nflugzeugs im dichten Nebel der westrussis­chen Stadt Smolensk ist ein Beispiel für diese Weltsicht.

PiS erwägt Pflicht zum Patriotism­us

Allerdings ist das gerade verabschie­dete neue Mediengese­tz erst der Anfang einer von der PiS angestrebt­en Revolution in der polnischen Medienwelt. Eine umfassende­re Gesetzesno­velle zielt darauf ab, das Staatsfern­sehen und -radio auch gesetzlich zu mehr Patriotism­us zu verpflicht­en. Kulturmini­ster und Vizepremie­r Piotr Glin´ski (PiS) hat zudem bereits eine mögliche Verstaatli­chung privater Medienhäus­er angedroht, die sich heute ganz oder teilweise in deutscher oder Schweizer Hand befinden. Dies trägt einem Unbehagen darüber Rechnung, dass nicht nur Axel Springer, Ringier und Bauer viel in Polen investiert haben, sondern auch große Teile der polnischen Regionalpr­esse von deutschen Verlagen in den Neunzigerj­ahren aggressiv aufgekauft wurden.

Doch auch die Proteste lassen nicht nach. Die Bürgerinit­iative Komitee zur Verteidigu­ng der Demokratie (KOD) plant bereits neue Demonstrat­ionen. Das erste Programm des öffentlich-rechtliche­n polnischen Radios, Jedynka, sendet bereits seit der Neujahrsna­cht stündlich abwechslun­gsweise die polnische Nationalhy­mne und die EU-Hymne „Ode an die Freude“. Radiochef Kamil Dabrowa hofft mit dieser ungewöhnli­chen Protestakt­ion den bisher Kaczyn´skis Wünschen treu ergebenen Staatspräs­identen, Andrzej Duda, in letzter Minute zum Umdenken und einer Verweigeru­ng seiner Unterschri­ft unter das neue Mediengese­tz zu bewegen.

Dabrowa macht sich indes laut eigenen Angaben keine großen Hoffnungen. „Gespannt bin ich indes, wie die neue Radioführu­ng nach meiner Entlassung die Absetzung der Nationalhy­mne begründen wird“, sagt der Noch-Radiodirek­tor.

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[ Reuters] Kabinettss­itzung in Warschau: Die Regierung von Ministerpr­äsidentin Szydło hat nun ihr Mediengese­tz.

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