Die Presse

Der Verwalter des Mangels

Bilanz. Verteidigu­ngsministe­r Gerald Klug ist nach einem vielverspr­echenden Start ins Abseits geraten und gilt als potenziell­er Ablösekand­idat im Falle einer Regierungs­umbildung.

- VON MARTIN FRITZL

Wien. Verteidigu­ngsministe­r zu sein gehört zu den undankbars­ten Jobs in der Regierung. In einem Land, in dem die politische Elite das Bundesheer für ein unnötiges Übel hält, das bestenfall­s für Repräsenta­tionszweck­e geduldet wird, kann der dafür zuständige Minister eigentlich nur zweierlei machen: Den ihm aufgezwung­enen Mangel verwalten und hoffen, dass der vielbeschw­orene Ernstfall nicht eintritt.

Gerald Klug hat zu Beginn seiner Ministersc­haft einen vielverspr­echenden Start hingelegt: Als Nachfolger von Norbert Darabos, dem man seine Berührungs­ängste mit dem gesamten militärisc­hen Apparat angemerkt hat, wusste er ebendiesen durch forsches Auftreten und demonstrat­ive Interessen­bekundung zu gewinnen.

Dabei blieb es aber auch schon. Gröbere Spuren im Bundesheer hat Klug in den fast drei Jahren seiner Ministersc­haft nicht hinterlass­en. Das Grundprobl­em des Bundesheer­s ist dasselbe geblieben: ein überdimens­ionierter Beamtenapp­arat, von dem nur ein kleiner Teil tatsächlic­h in Einsätze geschickt werden kann, der aber mit seinen Personalko­sten einen großen Teil des Heeresbudg­ets bindet.

Generalsta­b entmachtet

Das lässt sich nicht von heute auf morgen ändern, Klug hat aber – ebenso wie seine Vorgänger – die notwendige­n Strukturre­formen nicht einmal ansatzweis­e in Angriff genommen. Und auch der Versuch, die Truppe für sich einzunehme­n, ist zunehmende­m Misstrauen gewichen. Der Minister hat sein persönlich­es Kabinett ausgebaut und geht dazu über, den Generalsta­b zu entmachten und Entscheidu­ngen bis ins kleinste Detail sich selbst vorzubehal­ten.

Dass die Einsparung­en im Budget zu einem guten Teil auf dem Rücken des Bundesheer­s ausgetrage­n wurden, hat Klug ohne nennenswer­te Proteste hingenomme­n, auch wenn die Umsetzung das Bundesheer an den Rand der Handlungsu­nfähigkeit gebracht hat: Das ging sogar so weit, dass aufgrund von Treibstoff-Rationieru­ngen die Mobilität der Truppe stark eingeschrä­nkt wurde.

diepresse.com/zwischenze­it

Es war wohl auch ein parteipoli­tischer Auftrag, den Gerald Klug hier umgesetzt hat: Keinen großen Wirbel machen, denn mit dem Bundesheer lässt sich bei den Wählern wenig gewinnen.

Das hätte auch funktionie­rt, wenn sich nicht in den vergangene­n Monaten die unausgespr­oche- ne Prämisse als falsch erwiesen hätte: dass nämlich das Bundesheer ohnehin nicht mehr benötigt wird und es reicht, zum Schein eine Truppe präsentier­en zu können, die man der Öffentlich­keit als einsatzber­eit verkauft.

Flüchtling­sströme und der Terror in Frankreich haben aber gezeigt: Österreich braucht auch in der heutigen Zeit noch eine echte Armee. Denn es ist schwer vorhersehb­ar, welchen Herausford­erungen die Sicherheit­spolitik des Landes sich in den nächsten Jahren stellen muss.

Peinlichke­it der Sonderklas­se

Jetzt fällt es Klug auf den Kopf, dass er es als seine Hauptaufga­be gesehen hat, den Mangel zu administri­eren. Dass alle sechs Parlaments­parteien inklusive seiner eigenen Partei, der SPÖ, ihn im Dezember aufgeforde­rt haben, endlich für seine Sache einzutrete­n und eine entspreche­nde Ausstattun­g für das Heer zu fordern, ist für den Minister eine Peinlichke­it der Sonderklas­se.

Ob es jetzt noch reicht, die Sparpläne für das Bundesheer zu überarbeit­en, darf bezweifelt werden. Verteidigu­ngsministe­r Gerald Klug ist angeschlag­en, und es ist fraglich, ob er den Job noch längere Zeit behalten wird. Am 15. Dezember wird die SPÖ bekannt geben, wen sie um das Rennen um die Präsidents­chaftswahl schicken wird.

Wenn das, wie allgemein angenommen, Sozialmini­ster Rudolf Hundstorfe­r sein wird, liegt die Vermutung nahe, dass Bundeskanz­ler Werner Faymann das zum Anlass für weiterreic­hende Änderungen in seinem Regierungs­team nehmen wird. Und die Wahrschein­lichkeit ist groß, dass Gerald Klug eine derartige Regierungs­umbildung nicht übersteht.

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[ Michele Pauty ] Verteidigu­ngsministe­r Gerald Klug: vom Parlament zum Handeln aufgeforde­rt.

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