Die Presse

„Wenn schon, dann ordentlich“: Leidenscha­ft für alte Brettln

Events. Mitte Jänner findet wieder die Nostalgie-Ski-WM statt. Rupert Grundner hat mit seinem Verein „Anno 1900“die Leidenscha­ft für Holzskier wiederentd­eckt.

- VON CLAUDIA LAGLER

Begonnen hat es mit einer Faschingsg­audi. Weil sich Rupert Grundner und seine Freunde beim Faschingsf­est im Skigebiet von Saalfelden Leogang nicht verkleiden wollten, suchten sie nach Alternativ­en. Da kam ihnen die Idee, die alten Holzskier, die alle noch im Schuppen oder in der Garage stehen hatten, auszupacke­n und als Retro-Skifahrer auf die Piste zu gehen. Die Gruppe fiel auf – und bekam gleich eine Einladung, bei einem Nostalgie-Skirennen in Zell am See mitzumache­n. Weil sie so viel Spaß hatten, luden die Leoganger die Nachbarn vom Zeller See für das nächste Jahr gleich zu einem Gegenbesuc­h mit Rennen ein.

Der Zeller Nostalgie-Skiclub reiste mit 25 Personen an, die Veranstalt­ung war ein voller Erfolg. Und bei den Leogangern wuchsen große Pläne: „Wenn schon, dann ordentlich“, erzählt der 51-jährige Grundner: „Wir haben gleich an eine Weltmeiste­rschaft gedacht.“Gesagt, getan. Grundner gründete mit seinen Freunden den Verein „Anno 1900“und organisier­t seither ein in der Szene viel beachtetes Treffen von Holzski-Enthusiast­en. Heuer findet die Nostalgie-Skiweltmei­sterschaft vom 15. bis 17. Jänner in Saalfelden Leogang zum siebten Mal statt. Erwartet werden rund 250 Teilnehmer, die stilgerech­t nicht nur mit museumsrei­fen Skiern, Bindungen und Schuhen kommen, sondern auch beim Outfit den historisch­en Skilauf pflegen. Gewalkte Jacken, Wollhandsc­huhe, Hauben und Kniebundho­sen sind Pflicht für den stilsicher­en Auftritt auf der Nostalgiep­iste.

Die Teilnehmer bei der NostalgieS­ki-WM kommen zwar nicht aus der ganzen Welt, dafür aber aus halb Europa: Franzosen, Skandinavi­er, Italiener, Slowenen, Schweizer, Deutsche und Österreich­er nehmen daran teil. Dass man gut Ski laufen können muss, ist nicht Pflicht. Es geht mehr ums Dabeisein. „Die älteren Skier haben keine Kanten, die Lederbindu­ngen erlauben viel Fersenfrei­heit“, schildert Grundner die technische­n Herausford­erungen. So mancher gute Skifahrer von heute tut sich mit den Brettln aus dem Museum schwer.

Mehrere Startergru­ppen

Bei der Nostalgie-Skiweltmei­sterschaft gibt es neben dem Riesentorl­auf den Fernlauf zu bewältigen. Dieser führt von der Asitz-Bergstatio­n auf einer aufgelasse­nen Skiabfahrt im freien Gelände ins Tal. Die rund drei Kilometer und 1000 Höhenmeter können mit der Winterspor­tausrüstun­g der Väter und Großväter ganz schön anstrengen­d sein. Je nach Alter und Technik der Skier gibt es mehrere Startergru­ppen: Die ältesten Brettln stammen aus den 1930er-Jahren und haben noch keine Kanten. Sie sind mit Bindungen aus Lederrieme­n die Königsklas­se. Danach erleichter­ten Stahlkante­n, Seilzugbin- dungen und Kunststoff­beläge das Schwingen auf der Piste. Sportler, die mit Skiern aus den 1960er- und 1970erJahr­en unterwegs sind, starten in der Kategorie Moderne Oldies. Flohmärkte und Haushaltsa­uflösungen sind für die Enthusiast­en alter Holzskier die wichtigste Fundquelle.

Auch Grundner hat sein erstes Paar auf einem Flohmarkt erstanden, mittlerwei­le verfügt er über eine stattliche Sammlung alter Modelle und ist ein Experte für Nostalgie-Skier geworden. „Es ist gar nicht so einfach, gut erhaltene Ausrüstung­en von anno dazumal zu bekommen“, weiß Grundner. Oft wurden die Skier falsch gelagert, dann sind sie nur mehr zur Dekoration für Skihütten und Hotels zu gebrauchen. Bei der Kleidung ist es einfacher. Da hat der Boom an Nostalgie-Fans mittlerwei­le dazu geführt, dass es eigene Schneidere­ien gibt, die Jacken, Hosen und Hemden nach alten Entwürfen nachschnei­dern.

In seiner Freizeit ist Grundner aber lieber auf der Loipe als auf der Piste unterwegs – oder er schwingt im Telemarkst­il über die verschneit­en Hänge. Viel Zeit bleibt allerdings nicht – der Verein „Anno 1900“organisier­t nicht nur die Skiweltmei­sterschaft, sondern auch den wiederbele­bten Leonardiri­tt in Leogang. Und die Mitglieder werden von Tourismusv­erbänden und Skiklubs zu Auftritten und Nostalgie-Skishows eingeladen – womit die Retrowelle die Piste nun erfasst hat.

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