„New Volkswagen“mache sich auf den Weg in die digitale Zeit, sagte Marken-Chef Diess bei der Technologiemesse in Las Vegas zuversichtlich. Doch für Optimismus gibt es wenig Grund.
VW.
Wien. Nach dem Abgasskandal, der den deutschen Autohersteller Volkswagen in die schwerste Krise seiner Konzerngeschichte gestürzt hat, Optimismus und Elan zu versprühen, ist nicht gerade eine leichte Übung. Herbert Diess, der Markenchef von Volkswagen, versuchte bei der Technologiemesse CES in Las Vegas jedoch genau das zu tun. „,New Volkswagen‘ macht sich auf den Weg in die digitale Zeit“, versprach er den 2300 Zuschauern. Der neue bullige Budd-e von VW, der wirksam auf der Bühne des Chelsea Theaters platziert war, sollte diese Frohbotschaft von Diess wohl unterstreichen. Doch der elektrische Kleinbus, der sich mit seinem Fahrer unterhalten und bis zu 500 km am Stück fahren können soll, ist ebenso Zukunftsmusik wie das ersehnte Ende der VW-Krise.
VW in den USA ausgebremst
„Wir sind zuversichtlich, dass wir eine akzeptable Lösung finden werden“, diese Worte aus Diess’ Munde reichten einfach nicht aus, um die verärgerten amerikanischen VWKunden wieder zu besänftigen. Ihre Wut belegen auch die Zahlen, die der Autohersteller am Dienstag selbst veröffentlichte. Während die Konkurrenten General Motors, Ford, Toyota und Fiat-Chrysler ihre Umsätze im Dezember 2015 allesamt deutlich steigern konnten, verkaufte Volkswagen hingegen um neun Prozent weniger Neuwagen als im Vergleichszeitraum des vergangenen Jahres. Bereits im November waren die Neuauslieferungen um ein Viertel eingebrochen.
Und jene 600.000 Amerikaner, die ein VW-Dieselfahrzeug besitzen, deren Software manipuliert worden ist, wissen bis dato noch immer nicht, was sie mit ihren Autos tun sollen. Während in Deutschland nämlich bereits Ende Jänner mit der Umrüstung von den 2,4 Millionen Fahrzeugen begonnen werden soll, ist in den USA noch nicht klar, ob die kalifornische Umweltbehörde CARB am 14. Jänner ebenfalls dazu ihre Zustimmung geben wird. VW zeigt sich jedenfalls zuversichtlich, denn man befinde sich, so Diess in Las Vegas, mit den US-Behörden „in einem konstruktiven Dialog“.
Worüber Vorstand Diess freilich kein Wort bei seiner Imagetour verlor, sind die unangenehmen Neuigkeiten, die zeitgleich publik wurden: Das US-Justizministerium wird den Wolfsburger Konzern wegen der Verstöße gegen das USLuftreinhaltegesetz verklagen. Die geforderte Geldstrafe soll sich nach Berechnungen der Nachrichtenagentur Reuters auf bis zu 48 Milliarden Dollar (44,04 Mrd. Euro) belaufen. Das amerikanische Justizministerium wollte aber keine Zahlen nennen: „Wir wollen nicht darüber spekulieren, was das Gericht letztlich festsetzen wird“, sagte ein Sprecher. Die vorgeschlagene Strafe solle jedoch die Ernsthaftigkeit der Vorwürfe widerspiegeln.
Diese Aussichten machte viele Anleger nervös und veranlassten sie, sich schnell von der VW-Aktie zu trennen. Wenig überraschend brach der Kurs deshalb in den vergangenen Tagen zeitweise gleich um über sieben Prozent ein.
Eine Reaktion, die nach Einschätzungen von Analysten eher überzogen ist, denn die von der USUmweltschutzbehörde EPA verlangte Strafe werde am Ende deutlich niedriger ausfallen. Das hätten ähnliche Fälle aus der Vergangenheit gezeigt: „Es ist nicht unüblich für die EPA, eine sehr hohe Summe zu fordern und diese dann runterzuverhandeln“, sagte Kirk Junker, Professor für US-Umweltrecht an der Universität Köln.
Mehr Zeit für Aufklärung
Während VW alle Hände voll mit diversen US-Behörden zu tun hat, bittet ihr Konzernchef Matthias Müller die EU-Kommission um einen Aufschub. In einem Brief informierte er die Brüsseler Behörde, dass Volkswagen noch mehr Zeit für Auskünfte über die geschönten CO2-Abgaswerte seiner Autos benötige. Die Nachmessungen bei den „noch verbliebenen neun Modellvarianten“seien bis zum Jahresende noch nicht abgeschlossen gewesen, sagte ein Sprecher. In den nächsten Tagen werde das jedoch der Fall sein.