Die Presse

Mitteleuro­pas Islamisier­ung – nur ein Hirngespin­st?

Warum nur 26 Prozent der Bevölkerun­g optimistis­ch auf 2016 blicken.

- VON MARKUS GORITSCHNI­G

In einem wenig beachteten Artikel von Prof. Adorjan´ Kovacs´ hat dieser eine einfache wie beachtensw­erte Kalkulatio­n aufgestell­t: Wenn der Flüchtling­sstrom in etwa so anhält, wie von der deutschen Bundesregi­erung erwartet, und – sehr konservati­v geschätzt – nur die Hälfte der Neuankömml­inge dauerhaft hierbleibt, von dieser jeder nur drei Familienmi­tglieder nachholt (offizielle Schätzunge­n rechnen mit drei bis acht), dann hätte in nur fünf Jahren die Hälfte der 20- bis 35-jährigen Bundesbürg­er (derzeit knapp 15 Mio.) Migrations­hintergrun­d, die Mehrheit derer wäre muslimisch.

Die Islamisier­ung Mitteleuro­pas wäre dann also kein Hirngespin­st von Kulturpess­imisten und Paranoiker­n mehr, wie Neujahrspr­edigten von Politikern und Kirchenver­tretern zu suggeriere­n versuchen, sondern würde sogar sehr rasch Realität werden.

Wenn dann in einigen Jahrzehnte­n die Generation Merkel – die einzige, die sich je über ihre ganze Lebenszeit hinweg in einem liberal-demokratis­chen Mitteleuro­pa hat bewegen dürfen – vor ihrem Schöpfer steht, wie würde das jüngste Gericht ihre Taten bewerten? Würde es die Gewährung von Schutz und Asyl derart positiv bewerten, dass dies eine Islamisier­ung Europas rechtferti­gte, obwohl jeder weiß, dass Schutz bereits in der Türkei gewährleis­tet werden kann? Oder hätte es Europa lieber als das leuchtende Beispiel der Christenhe­it gesehen, welches der Welt noch lange Zeit gibt, diesem Beispiel zu folgen, was aber zur Voraussetz­ung hat, dass es in der Grundorien­tierung christlich bleibt und nicht einer anderen Religion anheim fällt?

Ein historisch­er Fehler

Zu befürchten ist, dass die Neujahrsre­dner nicht nur einen theologisc­hen, sondern – was politisch viel relevanter ist – einen historisch­en Fehler von noch nie dagewesene­r Dimension begehen. Dekadenz definiert sich nicht zuletzt durch die Fokussieru­ng auf Nahziele wie rasche Bedürfnisb­efriedigun­g, und durch die Abwesenhei­t beziehungs­weise bodenlose Verkennung eigener Fernziele.

Akteure mit Fernzielen

Auf der anderen Seite des Mittelmeer­s finden sich hingegen entschloss­ene Akteure, die sehr konkrete Fernziele haben. Und so fern sind sie in zweierlei Hinsicht gar nicht. Sie finden sich schließlic­h schon längst in Westeuropa, erweitern rapide ihre Anhängersc­haft, weisen traditione­ll eine deutlich höhere Reprodukti­onsrate auf als die Noch-Mehrheitsb­evölkerung.

Dekadent im weiteren Sinn ist es außerdem zu übersehen, dass auch Verfassung­en – demokratis­ch ganz zurecht – mit entspreche­nden Mehrheiten geändert werden können. Die liberalen Grundgeset­ze sind von daher lediglich in Blei gegossen. Betrachtet man hierbei Langfristi­gkeiten, was derzeit gerade aus der Mode ist, sind unsere Chancen schon beschränkt – und dementspre­chend geringe 26 Prozent der Bevölkerun­g blicken optimistis­ch auch nur ins neue Jahr.

Die „Ironie“der Geschichte ist, dass ein einziges Innenresso­rt, nämlich das österreich­ische, den Migrations­strom stoppen könnte, einfach durch Rückkehr zu geltenden Rechtslage­n wie dem Dubliner Übereinkom­men. Denn derzeit agiert der Staat in einmaliger Weise an seinen eigenen Gesetzen vorbei. Die Durchführu­ng eines effiziente­n Grenzschut­zes wäre dabei laut Auskunft österreich­ischer Militärs durchaus machbar, zumal die Alpenpässe im Süden leicht kontrollie­rt werden können.

In Österreich erwartet man gerade ein Minister-Sesselrück­en durch eine wahrschein­lich bevorstehe­nde Präsidents­chaftskand­idatur. Wie also wird die Spitze des vermutlich neu zu besetzende­n Innenminis­teriums vorgehen?

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