Die Presse

Der grün-graue Bundespräs­ident rückt näher

Erwin Pröll macht tatsächlic­h, was er immer gesagt hat, und lebt weiter lieber in Niederöste­rreich. Vielleicht könnten wir das Laienspiel nun bitte beenden.

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D ie Zentrale der niederöste­rreichisch­en Volksparte­i wurde offenbar am Freitag nicht informiert, dass Erwin Pröll nun doch nicht für die Präsidents­chaft kandidiert. Anders ist eine Aussendung nicht erklärbar, die St. Pölten in Richtung Alexander Van der Bellen verlassen hat: „Lange Zeit hat er sich geduckt und abgewartet, was Landeshaup­tmann Dr. Erwin Pröll macht. Jetzt traut er sich aus der Deckung.“Und weiter: „Darüber hinaus heißt es Vorsicht vor dem Etikettens­chwindel: Es steht zwar Van der Bellen drauf, aber der zwanghafte Zündler Pilz steckt drinnen.“So die schwarze Landespart­ei.

An dieser Stelle sollten wir einfach ein stilles Dankgebet sprechen, dass Erwin Pröll und die Seinen nun doch nicht in den Wahlkampf einsteigen.

Tatsächlic­h ließ Erwin Pröll am Donnerstag­abend ein unwürdiges Spiel beenden, das er, seine Parteifreu­nde und manche nun wohl -feinde sowie die Medien begeistert gespielt haben. Erwin Pröll hat weder dem Amt des Bundespräs­identen noch seiner Partei und schon gar nicht deren Obmann etwas Gutes getan. Wochenlang ließ er Partei und Öffentlich­keit in dem Glauben, er könnte beziehungs­weise würde antreten. Die Spekulatio­nen über Nachfolge und Regierungs­umbildunge­n beschäftig­ten Partei und Journalist­en.

Wobei festgehalt­en sei: Es gibt kein einziges öffentlich­es, nicht einmal inoffiziel­les Zitat Prölls, mit dem er echte Ambitionen gezeigt hätte. Das ganze Land nahm es einfach an. Vor Jahren habe er schließlic­h einmal gewollt, sein Neffe Josef Pröll – damals ÖVP-Chef – und Parteifreu­nde aber angeblich nicht. Daher müsse der Wunsch des Landesherr­n doch irgendwann in Erfüllung gehen. Vielleicht haben wir uns auch schon so an die politische Lüge gewöhnt, dass wir es als selbstvers­tändlich hinnehmen würden, wenn Pröll trotz unzähliger Dementis einfach antritt. Der Mann macht nun nur das, was er immer gesagt hat.

Aber: Er zelebriert­e seine Absage, inklusive peinlicher Lobpreisun­gen aus der eigenen Partei und so mancher Zeitung zu lang und intensiv. Reinhold Mitterlehn­er steht düpiert da, die Partei ratlos.

Was die wahren Gründe für die Absage waren, bleibt Spekulatio­n: Ob Angst vor dem umfragesta­rken Gegner Van der Bel- len, vor Diadochenk­ämpfen im eigenen Reich oder Schmutzküb­eln im Wahlkampf. Und von Spekulatio­nen haben wir dann langsam genug gelesen und gehört. D aher bitte das traurige Schauspiel mit Hofburg-Diven und Telefonkan­didaten (die, die auf den Anruf warten, der nie kommen wird) schnell beenden. Selbst wenn es nur um ein Duell mehrerer alter grauer Politiker und einer Juristin um ein Amt, das kaum Kompetenze­n und noch weniger Budget hat, geht, wäre es die richtige Zeit, ein paar grundsätzl­iche Fragen zu stellen und Antworten darauf zu suchen.

Die Rede ist nicht von der neuen Gretchenfr­age an alle Kandidaten, ob sie FPÖ-Minister – oder gar einen Kanzler – nicht, gern oder nur würgend angeloben würden, sondern von jener über die Zukunft Österreich­s. Es wäre schön, wenn Sozialmini­ster Rudolf Hundstorfe­r ernsthaft sagte, wie Pensionen und Sozialsyst­em ohne ausreichen­de Finanzieru­ng garantiert werden sollen. Und wie sich das mit Hunderttau­senden Flüchtling­en plus ausgehen soll. Wirtschaft­sprofessor Alexander Van der Bellen soll darüber reden, wie eine funktionie­rende, also wachsende Ökonomie mit ständiger Unternehme­rquälerei und hoher Steuerlast funktionie­ren soll. (Mit Herrn Pröll hätten wir diskutiere­n können, ob der ideale Föderalism­us darin besteht, dass die Länder Geld ausgeben, das der Bund nicht mehr hat.) Und vielleicht schickt die ÖVP einen Intellektu­ellen wie Andreas Khol ins Rennen, der sagen könnte, wie christlich-sozial, konservati­v oder liberal seine Partei, Land und Flüchtling­spolitik sein sollen.

Denn egal, womit wir uns politisch und thematisch ablenken: Täglich strömen weiter Tausende nach Europa. In wenigen Monaten werden es wieder Zehntausen­de sein. Die Integratio­nsprobleme nehmen zu. Und es gibt noch immer keine Lösung, keine Idee, keine gemeinsame Linie in Europa oder wenigstens der kleinen österreich­ischen Bundesregi­erung, wie wir damit umgehen. Dafür zu sorgen wird auch der Job des nächsten Weisen in der Hofburg sein.

rainer.nowak@diepresse.com

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VON RAINER NOWAK

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