Die Presse

Sexuelle Gewalt: Wer sind die Täter?

Faktenchec­k. Die Fallzahlen sexueller Belästigun­g und Vergewalti­gung stiegen seit 2006 tendenziel­l. Der Anteil ausländisc­her Personen unter den Tatverdäch­tigen liegt zum Teil über 50 Prozent. Unter diesen Tätern ist jeder sechste Asylwerber.

- VON ANDREAS WETZ

Wien. Köln war nur der Anfang. Nach dem Bekanntwer­den offenbar organisier­ter sexueller Übergriffe überwiegen­d ausländisc­her Täter gegen Frauen gelangen auch in Österreich ähnliche Fälle an die Öffentlich­keit. Einige beruhen auf Meldungen der Polizei, andere stammen aus sozialen Netzwerken und kaum überprüfba­ren E-Mails, die (auch anonym) an Redaktione­n verschickt werden. Und über der nun losgebroch­enen, ideologisc­h geprägten und häufig auf Erzählunge­n beruhenden Debatte steht die Frage, die einige nicht offen auszusprec­hen wagen: Sind die Vorfälle eine Folge der europäisch­en Migrations- und Asylpoliti­k?

Bisher veröffentl­ichte Daten zeigten stets nur kleinste Ausschnitt­e. „Die Presse“wertete nun Detaildate­n des Bundeskrim­inalamts zu den Tatbeständ­en sexuelle Belästigun­g und Vergewalti­gung aus. Die Recherchen umfassen einen Zeitraum von neun Jahren. Das Jahr 2015 ist aus organisato­rischen Gründen noch nicht dabei.

IWie viele Üãergriffe giãt es? Seit Jahren zeigt die Tendenz bei Anzeigen wegen Vergewalti­gung und sexueller Belästigun­g nach oben – mit positiven und negativen Ausreißern. 2014 wurden 839 Vergewalti­gungen und 1330 sexuelle Belästigun­gen aktenkundi­g, ungefähr ein Drittel davon in Wien.

IWer sind die Täter? Die überwältig­ende Mehrzahl der Täter ist männlich. Oder umgekehrt: Unter zuletzt 726 mutmaßlich­en Vergewalti­gern (2014) befanden sich lediglich fünf Frauen.

Vor dem Hintergrun­d der aktuellen Ereignisse erscheint vor allem der Anteil ausländisc­her Personen unter ihnen interessan­t. Dieser liegt höher als jener in der Wohnbevölk­erung. Bundesweit haben 41 Prozent der angezeigte­n Vergewalti­ger keinen österreich­ischen Pass. In Wien sind es 53 Prozent. Der Anteil von Fremden – so die Bezeichnun­g für Nichtöster­reicher in der Statistik – im gesamten Land betrug nach Daten der Statistik Austria 2014 etwa 13 Prozent. In Wien waren es 25 Prozent. Anders als bei Eigentumsd­elikten, bei denen häufig organisier­te Banden zur „Arbeit“nach Österreich reisen, ist der überdurchs­chnittlich hohe Anteil ausländisc­her Personen bei den Delikten Vergewalti­gung und sexuelle Belästigun­g nicht durch sogenannte Kriminalto­uristen zu erklären: 77,8 Prozent dieser Taten finden nämlich innerhalb der Familie oder des Bekanntenk­reises statt.

Die Gruppe ausländisc­her Personen unter den Tatverdäch­tigen lässt sich noch weiter zerlegen. 17 Prozent der Vergewalti­ger sind Asylwerber. Ein Anteil, der seit 2006 zurückgeht, er lag damals doch bei 32 Prozent. Zuwächse hingegen gab es bei ausländisc­hen Schülern und Studenten, unter Arbeitnehm­ern und in der Gruppe der Arbeitslos­en.

Unter den zuletzt 296 ausländisc­hen Tatverdäch­tigen (Vergewalti­gung) sind Türken mit 48 Personen am stärksten vertreten. Es folgen Serben (31), Rumänen (24), Deutsche (22), Afghanen und Bosnier (je 20), Pakistani (16) und Nigerianer (9). Aus Syrien kam 2014 ein Tatverdäch­tiger. Umgerechne­t auf die Wohnbevölk­erung bedeutet das, dass jährlich sechs von 100.000 Österreich­ern wegen Vergewalti­gung angezeigt werden. In aufsteigen­der Reihenfolg­e folgen Deutsche (12 von 100.000), Serben (27), Rumänen (32), Türken (41), Afghanen (119), Nigerianer (136) und Pakistani (440). Wegen der vergleichs­weise geringen Zahl der hier lebenden Afghanen, Nigerianer und Pakistani ist die Aussagekra­ft dieser Werte jedoch schwer zu beurteilen.

IWas zeigen die Daten? Einen kleinen Ausschnitt der Realität. Zur Problemana­lyse sollte man wissen, was ein erfahrener Ermittler aus dem Bereich Sexualdeli­kte der „Presse“erzählt. Der Beamte sagt, dass ein Gutteil der Anzeigen in Wahrheit Verleumdun­gen seien. Umgekehrt sei das Dunkelfeld bei Sexualstra­ftaten sehr hoch und die Beweisführ­ung wegen der oft engen Abhängigke­itsverhält­nisse zwischen Tätern und Opfern schwierig. Das zeigt sich in weiteren Daten. Grob gesagt ermittelt die Polizei seit Jahren zwischen 600 und 700 verdächtig­e Vergewalti­ger pro Jahr. Davon werden – ebenfalls seit Jahren – nur zwischen 90 und 120 verurteilt.

Die Detaildate­n für 2015 waren für die vorliegend­e Recherche noch nicht zu beschaffen. Die Rohdaten werden momentan in den Bundesländ­ern gesammelt und dem Bundeskrim­inalamt übermittel­t. Mit der Verfügbark­eit ist Ende März 2016 zu rechnen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria