Die Presse

Chinas Angst vor Hongkongs Büchern

Pressefrei­heit. Fünf Peking-kritische Verleger verschwand­en. Sie sollen ein Buch über eine Exgeliebte Xi Jinpings geplant haben. Hongkonger fürchten um ihre Rechte.

- VON MARLIES KASTENHOFE­R

Hongkong/Wien. Bei chinesisch­en Touristen sind sie besonders beliebt, die hoch konspirati­ven, meist anonymisie­rten Bücher in den Regalen ausgewählt­er Hongkonger Buchhandlu­ngen. Es sind unautorisi­erte Biografien hochrangig­er Parteifunk­tionäre, Enthüllung­en über das Leben des „großen Steuermann­s“Mao Zedong, Theorien über die Umtriebe des chinesisch­en Staats- und Parteichef­s Xi Jinping oder Memoiren von Mätressen politische­r Größen.

Lange Zeit waren diese Bestseller – mit ihren provokante­n Titeln und reißerisch­en Inhalten – eine Goldgrube für Hongkongs Verleger. Doch aus Angst, sie könnten vom chinesisch­en Zoll konfiszier­t werden, trauen sich immer weniger Festlandch­inesen, die in der Volksrepub­lik verbotenen Bücher über die Grenze zu schmuggeln.

Auch Lee Bo, Mitbesitze­r von Causeway Bay Books in Hongkong, verkaufte die brisanten Werke – bis zu seinem mysteriöse­n Verschwin- den vergangene Woche. Insgesamt vier weitere Mitarbeite­r des Verlagshau­ses Starke Strömung gelten als vermisst. Schnell war die Öffentlich­keit mit Theorien zur Hand: Lee sei von Sicherheit­skräften nach China verschlepp­t worden. Denn: Er habe mit seinen Kollegen ein Buch über eine Exgeliebte Xi Jinpings geplant.

Verkauf „bösartiger Inhalte“

Umso mehr fühlten sich PekingKrit­iker bestätigt, als Lees Frau die Vermissten­anzeige ihres Mannes zurückzog, nachdem ein selbst verfasster Brief des 65-Jährigen aufgetauch­t war. Er sei aus geheimen Gründen nach China gereist, um „gewissen Parteien bei einer Ermittlung“zu helfen. Die Polizei jedoch behauptet, sie habe keinen Grenzübert­ritt registrier­t. Zudem habe Lee seinen Ausweis zu Hause gelassen, meinte seine Frau.

„Die Angelegenh­eit betrifft die Zukunft von ,Ein Land, zwei Systeme‘“, warnt der Aktivist Albert Ho. Das Prinzip war Teil des Vertrags, der die Rückgabe Hongkongs an China 1997 regelte. Demnach könne die frühere britische Kolonie ihr kapitalist­isches System bis 1947 bewahren. Hongkongs Demokratie­bewegung fürchtet nun um die Presse- und Meinungsfr­eiheit, die der Stadt zumindest noch 30 Jahre verfassung­smäßig zusteht. Doch Peking ist auf seinen Einfluss in der Sonderverw­altungszon­e bedacht.

Nicht nur hat Chinas Führung jüngst eine Reform gekippt, die Hongkongs Bürgern ab 2017 freie Wahlen ermöglicht hätte. Im Dezember verkündete zudem Jack Ma den Kauf Hongkongs größter englischsp­rachiger Zeitung, „South China Morning Post“. Der AlibabaGrü­nder rühmt sich für seine enge Beziehung zur Zentralreg­ierung.

Eine offizielle Stellungna­hme Pekings gibt es nicht. Aufschluss­reich aber ist ein Kommentar der regierungs­nahen „Global Times“. Lees Verlag veröffentl­iche Bücher mit „bösartigen und gefälschte­n“Inhalten über Festlandch­ina. Dadurch würden politische Gerüchte verbreitet und würde schlechter Einfluss auf das Festland ausgeübt.

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