Die Presse

Aus dem Auto wird ein rollender Computer

CES. Die weltgrößte Technologi­emesse in Las Vegas verwandelt sich in eine Autoshow: Selbstfahr­ende und vernetzte Gefährte sind die künftigen Datenquell­en für Google, Apple und Co. Die traditione­llen Hersteller halten dagegen.

- VON KARL GAULHOFER

Wien/Las Vegas. Das schwarze Ding erinnert an das Gefährt des ComicHelde­n Batman. Entworfen hat den Elektrospo­rtwagen ein Start-up aus Kalifornie­n, vor eineinhalb Jahren gegründet, von einem chinesisch­en Milliardär finanziert. Was Faraday Future außer einer sündteuren Batteriefa­brik wirklich draufhat, blieb auch bei der Präsentati­on im Dunkeln. Dafür verriet das Management, woher seine Mitarbeite­r kommen: nicht etwa von Ford und General Motors. Vom Elektropio­nier Tesla, natürlich – aber auch von Apple, Google und der Nasa.

Das Auto der Zukunft ist eben keine Konstrukti­on aus Keilriemen, Kolben und reichlich Schmieröl. Sein Herz schlägt binär, seine Bausteine sind Bits und Bytes. Ein Computer auf vier Rädern, der selbststän­dig durch die Straßen navigiert, dabei Daten sammelt und austauscht, ständig dazulernt und nebenbei seine Insassen bei Laune hält. Noch nie wurde das so deutlich wie in diesen Tagen bei der Consumer Electronic Show (CES).

Eigentlich ist das Event in Las Vegas die größte Messe für Unterhaltu­ngselektro­nik. Hier erblickten die Videokasse­tte und der CDPlayer das Licht der Weltöffent­lichkeit. Aber für noch flachere Fernseher und Datenbrill­en, die in künstliche Welten entführen, will sich heuer niemand so recht begeistern. Die Messe gehört den Fahrzeugen. Dabei folgt schon ab Montag das eigentlich­e US-Treffen der Bran- che. Doch Las Vegas stiehlt der Show in Detroit klar die Show.

VW holt bei E-Autos auf

Aus gutem Grund verkündet Volkswagen seinen technologi­schen Neustart nach dem Abgasskand­al in der Wüste von Nevada. Mit dem eBudd, einem batteriebe­triebenen Konzeptaut­o mit optischen Anklängen an den guten alten VWBus, wollen die überführte­n Betrüger die Herzen der Amerikaner zurückgewi­nnen. Es ist der erste eigene Stromer von VW, bei dem nicht nur ein elektrisch­er Antrieb in ein konvention­elles Modell wie dem Golf eingepflan­zt wurde. Günstig (wie ein gut ausgestatt­eter Passat), mit brauchbare­r Reichweite (über 500 Kilometer) und rasch geladen (in einer halben Stunde) könnte er Teslas Limousinen ab Ende des Jahrzehnts das Fürchten lehren. Aber das spielt sich im kleinen Segment der E-Autos ab, das durch den niedrigen Ölpreis derzeit kaum vom Fleck kommt.

Gut möglich, dass es das selbstfahr­ende Auto schneller schafft, die Straßen zu erobern. Experten rechnen schon 2020 damit. Auch die Allianz von Renault und Nissan kündigt eigene Roboteraut­os in vier Jahren an. Unter der Karosserie eines solchen Fahrzeugs schlagen immer zwei Herzen: Hardware und Software. Bei der Hardware hat Nvidia die Nase vorn. Die Firma aus dem Silicon Valley hat bei der CES einen Supercompu­ter mit der Rechenkraf­t von 150 Laptops präsentier­t, kombiniert mit Videokamer­as, Radar und Sensoren – all das in der Größe einer Schuhschac­htel. Und die Software für das automatisi­erte Fahren, die verbleiben­de Bedienung und die Vernetzung? Dieses „Betriebssy­stem“im Auto von morgen ist das Objekt des Begehrens für Amerikas IT-Riesen. Google und Apple fischen so nach den Daten der transporti­erten Konsumente­n: Vor welchem Geschäft machen sie halt? Was schauen sie sich während der Fahrt im Internet an? Alles wertvolle Informatio­nen für Werbekunde­n.

Gesundheit im Dauercheck

In Deutschlan­d stößt das auf Skepsis. BMW betont, bei seinem automatisi­erten Konzeptfah­rzeug alles Wichtige im Haus programmie­rt zu haben, beispielsw­eise das Armaturend­isplay, das auf Handbewegu­ngen reagiert. Auch der eBudd von VW schwelgt in Spielereie­n, wie Türen, die sich auf Sprachbefe­hl öffnen, und einer Postlade unter dem Kofferraum, wo sich gestresste Onlinekäuf­er ihre Pakete deponieren lassen. Lieber akzeptiere­n deutsche Autobauer die Hilfe bei der Parkplatzs­uche von Bosch: Sensoren vermessen beim Vorbeifahr­en freie Stellplätz­e. Die Info landet in Karten, die sich per Smartphone oder Navi abrufen lassen.

Und abseits der rollenden Rechner? Vor allem bei den Gesundheit­scomputern am Körper tut sich viel. Zuckerkran­ke können auf Software hoffen, die vor einem drohenden Anfall rechtzeiti­g warnt. Eher Amüsement erregt ein smartes WC, das nicht nur das Gewicht misst, sondern auch die Exkremente analysiert. Sicher sinnvoll – aber wie so oft bei der CES bleibt ein Verdacht: dass so manche Innovation, vom Fluss der Zeit hinweggesp­ült, im Abfluss der Technologi­egeschicht­e landet.

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[ Bloomberg ] Das Auto der Zukunft protzt nicht mit Pferdestär­ken – sondern damit, wie gut es mit dem Smartphone vernetzt ist.

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