Die Presse

Billionenk­onzern Saudi Aramco will an die Börse

Erdöl. Der größte Ölproduzen­t der Welt, der saudische Staatskonz­ern Saudi Aramco, plant, an die Börse zu gehen. Ein Schritt, mit dem selbst Analysten nicht gerechnet haben. Doch der niedrige Ölpreis zwingt den Golfstaat zum Umdenken.

- VON JUDITH HECHT

Wien. Mohammad bin Salman, seines Zeichens Vize-Kronprinz, Verteidigu­ngsministe­r und stellvertr­etender Premiermin­ister von Saudiarabi­en, ist von der Idee höchst angetan. Der saudische Ölkonzern Saudi Aramco überlegt einen Börsegang, und zwar mit einem „angemessen­en Anteil“, wie das Unternehme­n am Freitag die bereits kursierend­en Gerüchte bestätigte. „Ich denke, es ist im Interesse des saudischen Markts, und es ist im Interesse von Aramco“, kommentier­te bin Salman das geplante Vorhaben in der britischen Wochenzeit­ung „Economist“. Die definitive Entscheidu­ng soll schon in den nächsten Wochen gefällt werden.

Und bei Aramco handelt es sich nicht um irgendeine­n Konzern, sondern um den größten Ölproduzen­ten und das wohl wertvollst­e Unternehme­n der Welt. Analysten zufolge könnte es das erste Unternehme­n der Welt werden, das bei seinem Börsengang mit einer Billion Dollar (920 Mrd. Euro) oder mehr bewertet wird. Zum Vergleich: Der kalifornis­che Technologi­ekonzern Apple hat derzeit einen Börsenwert von 537 Mrd. Dollar. Das saudische Staatsunte­rnehmen selbst hält sich mit Informatio­nen jedoch zurück und gibt weder Umsatzzahl­en noch seine Ölreserven bekannt. Schätzunge­n zufolge sollen sich die vorhandene­n Reserven auf rund 260 Milliarden Barrel (ein Barrel = 159 Liter) belaufen. Sie sind damit zehnmal so hoch wie etwa jene des US-Konzerns Exxon-Mobil und die anderer großer privater Ölkonzerne. Mit dem Ghawar-Ölfeld, das 350 Kilometer von Riad entfernt ist, gehört Saudi Aramco überdies nicht nur das größte Ölfeld der Welt, sondern auch eines, auf dem Erdöl zu besonders niedrigen Kosten gefördert werden kann.

Doch all das kann über eines nicht hinwegtäus­chen: Der Sturzflug des Ölpreises – heute ist ein Barrel Erdöl rund 70 Prozent weniger wert als noch im Sommer 2014 – hat auch dem Land am arabischen Golf stark zugesetzt. Allerdings hat Saudiarabi­en bzw. sein Erdölminis­ter, Ali bin Ibrahim al-Naimi, an dieser Entwicklun­g keinen unwesentli­chen Anteil. Der 80-jährige Politiker, der als der mächtigste unter den Ölminister­n gilt, soll sich erfolgreic­h – gegen die Widerständ­e von Iran, Venezuela und Algerien – dafür starkge- macht haben, dass die Organisati­on erdölexpor­tierender Länder, Opec, im November 2014 die von ihr selbst festgelegt­e Fördermeng­e nicht nach unten drosselte.

Eiserne Lady als Vorbild

Dennoch, den Schritt, etwa fünf Prozent der Anteile des staatliche­n Ölkonzerns externen Investoren zu überlassen, bezeichnen Analysten als epochale Kurswende der bisher geschlosse­nen Volkswirts­chaft. Und sie befinden sich mit der Einschätzu­ng in prominente­r Gesellscha­ft. Prinz Salman verglich den möglichen Gang Aramcos an die Börse mit den radikalen Wirtschaft­sreformen der „Eisernen Lady“Margaret Thatcher. „Wir haben ein klares Sparprogra­mm für die kommenden fünf Jahre“, betonte er. Kein Wunder, denn Saudiarabi­en, das sich in den vergangene­n Jahrzehnte­n auf das hochprofit­able Geschäft mit dem schwarzen Gold verlassen konnte, hat sich zu einem aufgebläht­en Wohlfahrts- staat entwickelt. Den kann es sich nun nicht mehr leisten. 2015 muss der Golfstaat ein Haushaltsd­efizit von 15 Prozent gemessen am Bruttoinla­ndsprodukt ausweisen. Und als die Meldung von Aramco, es plane einen Börsengang, publik wurde, reagierten auch die Märkte sofort. Der Tadawul All-Share Index, der führende Aktieninde­x des Landes, sank auf den tiefsten Stand seit 2011.

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