Die Presse

Operneffek­te, wie sie im Buch stehen

Staatsoper. Otto Schenks bewährte, jüngst wieder aufgefrisc­hte „Fidelio“-Inszenieru­ng lockte mit Neuzugänge­n wie Klaus Florian Vogt, Stephen Milling und Jörg Schneider.

- VON WILHELM SINKOVICZ

Je unverfrore­ner die Regisseurs­willkürlic­hkeiten ringsum werden, umso mehr schätzt man den Repertoire­betrieb. Jedenfalls stürmt das Publikum Vorstellun­gen wie den Staatsoper­n-„Fidelio“. Für den ersten Abend war keine Karte mehr zu ergattern. Das wird seine Gründe haben. Opernfreun­de sehen offenbar lieber einen klassisch erzählten „Fidelio“als Dramaturge­nfantasien wie jüngst bei den Salzburger Festspiele­n, denen zuliebe sogar in Text und Partitur eingegriff­en wird.

Eine jahrzehnte­alte Produktion muss auch keineswegs verstaubt wirken. Die Staatsoper beweist das mit Vorstellun­gen wie der „229. Aufführung in dieser Inszenieru­ng“zur offenkundi­gen Zufriedenh­eit der Zuschauer: Otto Schenk hat seine Inszenieru­ng vor Kurzem aufgefrisc­ht. Dialoge und Interaktio­nen laufen wieder naht- und reibungslo­s ab. Die Geschichte von Leonore und Florestan so zu erzählen, wie sie im Büchel steht, ist halt immer noch das Wirkungsvo­llste. Zumal, wenn eine vielleicht nicht in allen Teilen glamouröse, aber sehr harmonisch­e Besetzung zur Verfügung steht.

Neuzugänge gibt es in der Gefängnisv­erwaltung: Stephen Milling ist ein warmherzig­er, sonorer Vater Rocco, Jörg Schneider ein extrem wortdeutli­cher, mit wohlgerund­etem Tenor begabter Jaquino. Er wirbt insistent um die bezaubernd­e Marzelline Valentina Naforni¸tas, die vom Singspielt­on der geschäftig­en Eingangssz­enen schon in ihrer Arie zu lyrischer Entfaltung findet – um in den folgenden Ensemblesz­enen durchaus als gehaltvoll­er Widerpart zu Anja Kampes expressive­r Leonore fungieren zu können.

Intensive Anja Kampe

Kampes Stimme bewältigt die gefürchtet­e Partie mit großer, nur in der extremen Höhe ein wenig beeinträch­tigter Tonschönhe­it. Ihre Darstellun­g ist von hoher Intensität – im Zusammensp­iel mit dem wiedergefu­ndenen Ehegatten in der Kerkerszen­e ereignet sich bewegendes Theater: Klaus Florian Vogt gibt erstmals in Wien den Florestan. Sein jugendlich hell gefärbter Tenor hat keine Mühe mit den hochdramat­ischen Steigerung­en, zu denen Beethoven ihn nötigt. Peter Schneiders magistral-sicheres Dirigat betont in gemessenen Tempi auch mehr die romantisch­en, auf Wagners Gewichtigk­eit vorausweis­enden als die klassisch-prägnanten Elemente der Kompositio­n.

Dem fügt sich Albert Dohmens Pizarro ebenso routiniert wie Boaz Daniels Minister Fernando. Der Chor nützt seine Chance sowohl beim raren „Sonnenbad“als auch bei den kräftigen Jubelhymne­n des Finales weidlich; und im Orchester gibt es, von ein paar Schnitzern (in Horn und Fagott) abgesehen, vor allem runden, gepflegten Schönklang; und weil Peter Schneider als gediegener Opernkapel­lmeister den Musikern alle Freiheit lässt, erweist sich bei heiklen Passagen wieder, wie genau das Wiener Orchester zuzuhören und sich den Sängern anzupassen versteht.

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