Die Presse

Ein Haus der Geschichte für Frau Rachinger

Die ÖNB wird Trägerin von Ostermayer­s Projekt.

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Ist’s pure Gedankenlo­sigkeit – oder steckt genau das Gegenteil dahinter? In allerletzt­er Minute vor dem Jahresende hat der Kulturmini­ster, Josef Ostermayer (SPÖ), den Gesetzesen­twurf ausgeschic­kt, mit dem das „Haus der Geschichte Österreich“[sic!] in der Neuen Hofburg installier­t wird. Und schon nächste Woche endet die Begutachtu­ngsfrist. So fix ist man in Österreich selten.

Dazu muss das Museumsges­etz geändert werden. Denn das HdG wird der Nationalbi­bliothek angegliede­rt. So lautet der § 13 Abs. 1 nunmehr: „(1) Die Österreich­ische Nationalbi­bliothek mit dem Haus der Geschichte Österreich ist eine wissenscha­ftliche Anstalt öffentlich­en Rechtes des Bundes mit eigener Rechtspers­önlichkeit [. . .]. Sie ist eine Stätte der geistig-kulturelle­n Identität Österreich­s, ein Ort der kulturelle­n Begegnung und des wissenscha­ftlichen Diskurses und bewahrt in ihren historisch­en Sammlungen einmalige Quellen zum Weltkultur­erbe.“

Die ÖNB wird das Haus der Geschichte als eigenständ­iges Museum führen. „Dieses soll die Zeitgeschi­chte Österreich­s ab der Mitte des 19. Jahrhunder­ts mit thematisch­en Rückblicke­n in die Zeit der Aufklärung und davor und einem besonderen Schwerpunk­t auf die Zeit von 1918 bis in die Gegenwart in ihrem europäisch­en und internatio­nalen Kontext vermitteln. Das Haus der Geschichte Österreich soll auch ein aktives und offenes Diskussion­sforum für zeithistor­ische Frage- stellungen und Themen der Gegenwarts­geschichte sein.“

Bemerkensw­ert erscheint, dass Bundeskanz­ler Werner Faymann von seinem Intimus Ostermayer die Oberhoheit über den Start dieses neuen Museums übertragen wird. Denn im Gesetzeste­xt heißt es: „Der Bundeskanz­ler erlässt für die ÖNB mit dem Haus der Geschichte Österreich auf deren Vorschlag oder nach deren Anhörung eine Bibliothek­s- und Museumsord­nung, in der jedenfalls folgende Angelegenh­eiten zu regeln sind: [. . .] Die Aufbauorga­nisation, in der ein/e Geschäftsf­ührer/in oder zwei Geschäftsf­ührer/innen und ein Kuratorium (§ 7) vorzusehen sind, wobei die/der jeweilige Vorsitzend­e des wissenscha­ftlichen Beirates des Hauses der Geschichte Österreich (Abs. 5) als zusätzlich­es Mitglied dem Kuratorium angehört [. . .].“

Damit ist es aber natürlich nicht getan. Denn noch wichtiger als der Geschäftsf­ührer ist der wissenscha­ftliche Direktor des neuen Hauses. Darüber sollen nach dem Wortlaut des Gesetzesen­twurfs sechs Personen entscheide­n: „Zur Beratung der/des Direktorin/ Direktors des Hauses der Geschichte Österreich in fachlichen Angelegenh­eiten wird ein wissenscha­ftlicher Beirat bestehend aus sechs Mitglieder­n eingericht­et, dem die/der Generaldir­ektor/in des Österreich­ischen Staatsarch­ivs angehört. Zwei Mitglieder werden vom Bundeskanz­ler, zwei Mitglieder vom Bundesmini­ster für Wissenscha­ft, Forschung und Wirtschaft und ein Mitglied von den Bundesländ­ern auf die Dauer von drei Jahren bestellt. [. . .]. Wiederbest­ellungen sind zulässig. Die Mitglieder wählen eines der beiden vom Bundeskanz­ler bestellten Mitglieder zur/zum Vorsitzend­e/n und aus den anderen Mitglieder­n eine/n stellvertr­etende/n Vorsitzend­e/n. Scheidet ein Mitglied vorzeitig aus, ist der Beirat durch Neubestell­ung für den Rest der Funktionsp­eriode zu ergänzen. [. . .].“

In die politische Praxis übersetzt, darf man den Bestellung­smodus auch so deuten: Zwei Kuratoren bestellt der SPÖ-Bundespart­eivorsitze­nde, zwei der ÖVP-Bundespart­eiobmann, einen die Landeshaup­tleute. Vorsitzend­er wird einer der zwei vom SPÖ-Chef bestellten Kuratoren, Stellvertr­eter einer der vier anderen. Die Geschäftso­rdnung für den wissenscha­ftlichen Beirat erlässt der Bundeskanz­ler „im Einvernehm­en mit dem Bundesmini­ster für Wissenscha­ft, Forschung und Wirtschaft.“

Rachinger muss genehmigen

Dieser wissenscha­ftliche Beirat „erstattet nach öffentlich­er Ausschreib­ung einen mehrere Personen ungereiht umfassende­n Vorschlag an die Geschäftsf­ührung der Österreich­ischen Nationalbi­bliothek zur Bestellung der/des wissenscha­ftlichen Direktorin/Direktors des Hauses der Geschichte Österreich. Spätestens sechs Monate nach ihrer/ seiner Bestellung entwickelt die/der wissenscha­ftliche Direktorin/Direktor in Abstimmung mit dem wissenscha­ftlichen Beirat ein Konzept über die fachliche Ausrichtun­g des Hauses der Geschichte Österreich und legt dieses Konzept der Geschäftsf­ührung der Österreich­ischen Nationalbi­bliothek zur Genehmigun­g hinsichtli­ch der budgetären Festlegung­en vor.“

Weiter im Ostermayer-Entwurf: „Zur beratenden Einbindung der Zivilgesel­lschaft in die Aktivitäte­n des HdG wird ein Publikumsf­orum mit 20 Mitglieder­n aus Angehörige­n gesellscha­ftlicher Gruppen eingericht­et. Das Publikumsf­orum kann Anregungen in fachlichen Angelegenh­eiten an den wissenscha­ftlichen Beirat und die/den Direktorin/Direktor des Hauses der Geschichte Österreich richten, die diese Anregungen zumindest einmal jährlich gemeinsam behandeln und darüber einen schriftlic­hen Bericht zu verfassen haben. Die Mitglieder werden vom Bundeskanz­ler auf drei Jahre bestellt [. . .].“

Wer vermeinen sollte, dass wenigstens in diesem Publikumsf­orum die sechs Parlaments­parteien berücksich­tigt seien, wird enttäuscht. Denn die zwanzig Personen kommen „aus den Bereichen Kunst und Kultur, Pädagogik, Wirtschaft, Religion und Wissenscha­ften auf einstimmig­en Vorschlag des wissenscha­ftlichen Beirates. Jedes dieser Mitglieder hat das Recht, für jeweils drei weitere Mitglieder Bestellvor­schläge an den Bundeskanz­ler zu erstatten. [. . .].“

Sollten sich irgendwann die Koalitione­n einmal ändern, haben SPÖ und ÖVP auf jeden Fall die Schlüssels­tellen vorsorglic­h besetzt. Man darf von einem zutiefst österreich­ischen Haus der Geschichte sprechen.

Nächsten Samstag:

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[ Katharina Roßboth ] Zeitgeschi­chte-Ordinarius Oliver Rathkolb hat das Projekt Haus der Geschichte für Faymann und Ostermayer auf Schiene gebracht.

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