Zentralgestirn in dunkler Zeit
Biografie. Hugo Botstiber, erster Generalsekretär des Konzerthauses.
Als er seinen sechzigsten Geburtstag beging, da jubelt ihm die „Neue Freie Presse“zu: Er zähle „zum eisernen Bestand des Wiener Musiklebens“. 1938 musste er aus seiner Heimatstadt Wien nach Großbritannien flüchten, dort starb er 1941. Heute ist der Name Hugo Botstiber so gut wie vergessen.
Es waren die Tragik und die Infamie jener Zeit, die aus so vielen leuchtenden Sternen des wienerischen Kultur-, Musik- und Geisteslebens Schall und Rauch werden ließen. Der erste Generalsekretär des Wiener Konzerthauses (ab 1913) gehört leider auch dazu. Er leitete das damals modernste Konzertgebäude und eine der bedeutendsten Musikinstitutionen Österreichs. Zuvor war der zweifache Akademiker (Jus und Philosophie) für den Wiener Konzertverein, die Gesellschaft der Musikfreunde und die Akademie für Musik und darstellende Kunst tätig. Anscheinend war Hugo Botstiber ein glänzender Manager heutigen Zuschnitts, daneben aber auch musikwissenschaftlich und schriftstellerisch tätig.
Dass erst jetzt die erste Biografie über den 1875 geborenen Haydn-Experten erscheinen kann, hat einen trivialen Grund. Vor vierzig Jahren ordnete die Behörde bei einer feuerpolizeilichen Kontrolle die Entfernung der im Konzerthaus-Keller lagernden Archivalien an: unnütze Papierberge! Brandgefährlich! Damit ging fast das gesamte Material über die Jahre vor 1945 den Weg alles Irdischen. Tagebuch hat Botstiber nicht geführt. So erfährt man erst jetzt aufgrund eingehender Recherchen, welch Zentralgestirn des Konzertlebens Botstiber in turbulenter Zeit war. Er navigierte das fragile Schifflein namens Konzerthausgesellschaft durch so gefährliche Klippen wie das Ende der Monarchie, er hielt den Konzertbetrieb am Laufen während der Zwischenkriegszeit, als große materielle Not herrschte. Und er ließ erst das Steuerruder los, als ihm 1938 die Gestapo deutlich zu verstehen gab, dass er sich rechtzeitig in Sicherheit bringen möge. Wer mehr über die Wiener Kulturgeschichte jener Zeit erfahren will, ist hier richtig.