Die Presse

Unterricht im Museum

Wir müssen Flüchtling­e und Zuwanderer verstärkt mit unserem Kulturlebe­n konfrontie­ren.

- VON HERBERT VYTISKA

Als zu Beginn des 20. Jahrhunder­ts Zigtausend­e Menschen aus allen Gegenden der Monarchie in die Kaiserstad­t strömten, um hier Arbeit zu finden, hatten sie gar keine andere Wahl, als sich zu integriere­n. Elektronis­che Medien, die die Verbindung mit jener Welt aufrechter­hielten, die man verlassen hatte, gab es nicht. Man musste die deutsche Sprache lernen, um weiterzuko­mmen, und sich an die Gesetze halten. Die Parallelwe­lten beschränkt­en sich auf kleine Vereine, den Wirtshaust­isch und den Plausch beim Greißler.

Wie anders sieht es heute aus. In einigen Gegenden Wiens (gilt auch für Berlin, Paris etc.) ist eine Art Parallelwe­lt entstanden. Weil heute viele Migranten ihre eigene Welt (inklusive Rechts- und Moralverst­ändnis) von daheim mitbringen und glauben, diese hier auch so weiterlebe­n zu können. Die globale omnipräsen­te Medienwelt, eine mitunter falsch verstanden­e Liberalitä­t, eine Grenzen verwischen­de Offenheit der europäisch­en Gesellscha­ft, mit der viele nicht umgehen können, ist ein Umfeld, das dies auch zulässt.

Die Flüchtling­e, die heute um Asyl ansuchen, kommen zumeist aus ganz anderen Kulturkrei­sen als die Zuwanderer vor dem Ersten Weltkrieg. Sie haben zwar viel von einem Kontinent gehört, der an das Märchen vom Schlaraffe­nland erinnert, sie sehnen sich nach einer Welt, in der Frieden und Wohlstand herrschen. Um sich in diese Gesellscha­ft zu integriere­n, reicht es aber nicht aus, nur die Sprache zu lernen. Es bedarf sogar – jetzt erst recht, wenn man an die Silvestern­acht von Köln denkt – eines Moralkodex, eines Verhaltens-Knigge, eines Religionsl­eitfadens, eines Wertekatal­ogs, um überhaupt zu wissen, was rechtens ist und was nicht. Ist es damit aber getan?

In Deutschlan­d lief vor Weihnachte­n eine interessan­te, etwas akademisch geführte Diskussion, die auch für Österreich Relevanz hätte. Sind wir doch ein Land mit einer jahrhunder­telangen kulturelle­n Tradition, die augenschei­nlich ist, nicht nur konservier­t wurde, sondern gelebt wird. Davon legt ein intensives Kulturlebe­n Zeugnis ab. Die Palette reicht von der Hoch- bis zur Volkskultu­r. Von der Großstadt bis hinaus in die entlegenst­en Gegenden gibt es Ausstellun­gen, Galerien, Museen, Burgen, Schlösser, Kirchen, Klöster, Musikverei­ne und Theatergru­ppen, die um das Interesse des Publikums werben. Sie sind letztlich Ausdruck jener Kultur und jener Gesellscha­ft, die sich hier herangebil­det hat und am Leben gehalten wird. Übrigens eine Kultur, eine Gesellscha­ft, die viele Impulse auch von außen, von anderen Ländern und Kulturen erfahren haben.

Warum versuchen wir es nicht mit einem Anschauung­sunterrich­t? Und laden unsere Zuwanderer zum Besuch von Museen ein. Das muss keine Gemäldesam­mlung, das kann auch ein schlichtes Heimatmuse­um sein, das zeigt, welche Leistungen erbracht wurden, um dieses Land aufzubauen. Lassen wir sie teilhaben an einem Konzert, das ihnen im Regelfall ein ganz anderes Klangbild vermittelt, als sie es bisher von daheim gewohnt waren. Gehen mit ihnen ins Theater, das (wenn sie auch noch nicht alles verstehen) kantige und auch kritische Bilder einer Gesellscha­ft zeigt, in der sie gerade angekommen sind. Führen wir sie in die Kirchen, um erfahren zu lassen, wie hierzuland­e Menschen das Gespräch mit Gott suchen.

Wir sind stolz auf unsere Kultur und lassen uns deren Pflege, ja Weiterentw­icklung viel kosten. Kultur ist etwas zum Herzeigen, zum Begreifen. Gerade auch für jene, die neu zu uns kommen.

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