Die Presse

Medizin für Tiere, die gern ausspucken

Wiener Wissenscha­ftlerinnen entwickelt­en eine Paste, die Lamas und Alpakas gut schmeckt: Sie hilft gegen gefährlich­e Leberparas­iten. Die Paste kann mit anderem Wirkstoff auch für weitere Therapien genutzt werden.

- VON VERONIKA SCHMIDT

Es soll sehr entspannen­d wirken, so eine Trekkingto­ur mit Lamas und Alpakas. Das wird nicht nur in Südamerika angeboten, der ursprüngli­chen Heimat dieser Neuweltkam­elide, sondern auch in Österreich. Ob in der Steiermark, Tirol oder im Weinvierte­l: Wandern mit Lamas als Lastenträg­er oder mit Alpakas als Begleiter an der Leine ist in.

„Lamas sind größer und können Lasten tragen. Alpakas sind kleiner und werden meist wegen ihrer guten Wollqualit­ät gezüchtet“, erklärt Agnes Dadak, Pharmakolo­gin an der Vet-Med-Uni Wien. Ihre Kollegin Sonja Franz von der Abteilung für Wiederkäue­rmedizin bestätigt: „Das feine Haarkleid der Alpakas wird auf immer bessere Qualität gezüchtet. Sie kennen sicher feine Alpakascha­ls, aber es gibt auch teure Anzüge aus Alpakawoll­e.“Auch zur Weidepfleg­e oder als Therapieti­ere sind Neuweltkam­elide beliebt.

Die beiden Veterinärm­edizinerin­nen arbeiten seit Jahren mit diesen speziellen Tieren, in Österreich gibt es etwa 6000 Alpakas und Lamas in privater Haltung. „Wenn Tiere erkranken, werden sie zu uns in die Tierklinik gebracht, oder wenn es ein Problem im Bestand gibt, machen wir innerhalb Österreich­s auch Betriebsbe­suche“, sagt Franz.

Doch es gab seit jeher ein Problem: Für Neuweltkam­elide wurden in Europa keine tierartger­echten Präparate entwickelt. „Tierärzte müssen deshalb Arzneien, die für andere Lebensmitt­el liefernde Tiere wie Rinder oder Schafe konzipiert wurden, für Alpakas und Lamas umwidmen“, berichtet Dadak. Manche Wirkstoffe haben sich aber als ungeeignet oder unverträgl­ich für diese Tiere herausgest­ellt. Andere vertragen sie zwar, es ist aber unklar, welche Dosierunge­n anzuwenden sind. Manche Arzneien müssen höher dosiert werden als bei anderen Tierarten. Von einem Mittel gegen kleine Leberegel für Schafe hätte man dem Lama 300 Milliliter einflößen müssen – oder 13 Pasten in das Maul drücken, die für Pferde entwickelt wurden.

Große Mengen unpraktika­bel

„Lamas sind ja bekannt dafür, dass sie etwas, das ihnen nicht schmeckt, einfach ausspucken“, sagt Dadak. Es war völlig unpraktika­bel, diese großen Mengen des Mittels gegen kleine Leberegel in die spuckfreud­igen Tiere hineinzube­kommen. Da die Erkrankung bei Neuweltkam­eliden aber zu schweren Leberschäd­en führt, und in Österreich, Deutschlan­d und der Schweiz mehrere Tiere bereits nach schwerem Befall verendet waren, suchten die Wissenscha­ftlerinnen nach einer Lösung.

Sie entwickelt­en eine Paste, die den Tieren gut schmeckt, damit sie sie nicht ausspucken, und die eine hohe Wirkstoffk­onzentrati­on in einem kleinen Volumen beinhaltet. Die Paste ist nun patentiert und erfolgreic­h im Einsatz gegen die Erkrankung bei Lamas und Alpakas.

Paste hat pflanzlich­en Touch

Was muss drinnen sein, damit es den Tieren schmeckt? „Es ist weder süß noch salzig. Die Paste hat einen eher pflanzlich­en Touch“, sagt Dadak. Der Vorteil der Entwicklun­g: Diese für Lamas und Alpakas wohlschmec­kende Paste kann nun für alle möglichen Krankheite­n neu designed werden.

„Es handelt sich um eine Matrix, in die man vielerlei Wirkstoffe verarbeite­n kann“, betont die Pharmakolo­gin Dadak. In der Pipeline haben sie bereits Pasten gegen weitere Erkrankung­en, etwa gegen Magen-Darm-Würmer.

Die Suche nach der richtigen Dosis für Neuweltkam­elide läuft jeweils über aufwendige Therapiest­udien. Und Sonja Franz fügt hinzu: „Weil Lamas und Alpakas zu den Lebensmitt­el liefernden Tieren zählen, ist der Arzneischa­tz, den man anwenden darf, eingeschrä­nkt.“Viele Wirkstoffe, die man Hunden oder Katzen geben kann, sind bei Lebensmitt­el liefernden Tieren nicht erlaubt.

Wieso war es nicht möglich, sich an der Erfahrung in der Heimat der Tiere zu bedienen? „In Südamerika haben die Neuweltkam­elide durchaus andere Erkran- kungen und Probleme“, sagt Franz. Neuweltkam­elide brauchen in Europa andere Präparate, da sie hier mit europäisch­en Krankheite­n konfrontie­rt sind und noch dazu mit einem Klima und Pflanzenan­gebot zurechtkom­men müssen, an das sie evolutionä­r nicht angepasst sind.

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