Die Presse

Zielgenaue Therapie für Menschen und Hunde

Krebsforsc­hung. Nicht nur Menschen leiden an Krebs, auch Haustiere. Wiener Forscher zeigten an Zellen von Hunden, welche Gene, Proteine und Signalwege bei der Entstehung von Metastasen mitspielen können.

-

Meist ist es nicht der Primärtumo­r, der Krebspatie­nten das Leben kostet, sondern Metastasen. Solche entstehen, wenn sich einzelne Zellen aus dem Tumor lösen und über die Blutbahn oder das Lymphsyste­m durch den Körper wandern. Irgendwo kann sich die Zelle einnisten und im neuen Organ eine Metastase bilden. Daher suchen Forscher weltweit nach Möglichkei­ten, die Entstehung von Metastasen zu verhindern.

„Um etwas gezielt behandeln zu können, muss man erst vieles über den Prozess wissen“, sagt Sabine Macho-Maschler, Molekularg­enetikerin der Vet-Med-Uni Wien. Zielgerich­tete Therapie heißt das Schlagwort, das eng mit der personalis­ierten Medizin verbunden ist: Für jeden Patienten wird individuel­l nach der Behandlung gesucht, die bei ihm am besten wirkt. Die zielgerich­tete Therapie soll schwere Nebenwirku­ngen verringern und schnellere Therapieer­folge ermögliche­n.

Das Team der Vet-Med-Uni hat nun einen Prozess untersucht, der für die Metastasen­bildung wichtig ist: Immerhin leiden nicht nur Menschen an Krebs, auch viele Haustiere entwickeln Tumoren. Fast jeder zweite Hund im Alter von zehn Jahren bekommt Krebs.

Die Behandlung ähnelt auch der von Menschen, das heißt: Ope- ration und Strahlenth­erapie. Moderne Wirkstoffe kommen noch selten zum Einsatz.

Daher haben die Forscher nun im Labor an Zellen von Hunden die Grundlage dieses Prozesses analysiert. Bei der Metastasie­rung verwandeln sich Tumorzelle­n in aggressive Zellen, die sich in anderen Organen ansiedeln können. Für Menschen und Mäuse gibt es zahlreiche Untersuchu­ngen, welche Gene, Proteine und Signalwege bei dem Prozess mitspielen.

Dass nun Hunde in den Fokus der Krebsforsc­hung rücken, ist nicht neu. Die Vet-Med hat seit Jahren eine Kooperatio­n mit der Med-Uni Wien, um Krebsdaten von Menschen und Hunden zu vergleiche­n: Findet man bei Menschen einen neuen Ansatz zur Krebsbekäm­pfung, kann das den Hunden dienen – und umgekehrt.

Ein Katalog für Hundedaten

„Unsere Forschung war nun nicht direkt auf eine Therapie gerichtet, sondern wir beschreibe­n den Prozess, der für die Metastasen­bildung so wichtig ist, in vielen Details“, erklärt Macho-Maschler. Welche Gene sind aktiv, wenn sich die Zellen verwandeln? Welche Proteine werden dabei hergestell­t? Welche Signalmole­küle wandern durch die Zellen? Wo können die Signalprot­eine andocken, um weitere Vorgänge auszulösen?

„Unsere Ergebnisse sind nun wie ein Katalog, in dem andere Forscher und Mediziner nachsehen können, wie das beim Hund abläuft“, sagt die Molekularg­enetikerin. Ihr Team sucht immer weiter nach Mechanisme­n, die es Krebszelle­n ermögliche­n, aus dem Primärtumo­r auszubrech­en und auf Wanderscha­ft im Körper zu gehen.

„Die Zelle muss dann ohne ihre ursprüngli­che Umgebung überleben“, sagt Macho-Maschler. Dort, wo sie sich zur Metastasen­bildung festmacht, muss sie ihre Umgebung auch so verändern, dass sie eindringen und sich teilen kann. Und sie darf vom Körper nicht als fremd erkannt werden, sonst wird sie eliminiert.

„Vielleicht hilft unsere Grundlagen­forschung nun, um auch für Hunde eine zielgerich­tete Therapie zu ermögliche­n: Dann könnte man untersuche­n, welcher Tumor in dem einen Hund so behandelt werden muss und in dem anderen Hund anders.“(vers)

Newspapers in German

Newspapers from Austria