Von Expedition bis zu Tourismus
Von den ersten Migrationsbewegungen erzählen Speerspitzen, Faustkeile und Scherben, von der Sehnsucht der Menschen, Neuland zu erforschen, die frühesten uns bekannten Reiseberichte: Hanno der Seefahrer segelte um 470 vor Christus nach Westafrika auf und berichtete davon auf der Inschrift eines Tempels. Mit ähnlicher Entdeckerlust ließen sich Herodot, Pytheas von Marseille oder Seneca, später Marco Polo, David Livingstone oder Sven Hedin in die Ferne treiben. „Du musst allein hineinschreiten“, so die Archäologin Gertrude Bell über ihre Erfahrungen, „musst dich absondern von den Scharen deiner Freunde – freudlos, heimat- und besitzlos will sie dich haben, diese Welt der Wunder.“
Neben all diesen großen Einzelgängern gibt es Bildungsreisende wie etwa Albrecht Dürer, Paul Gauguin oder Charles Dickens, scharfzüngige Feuilletonisten a` la Joseph Roth oder Martha Gellhorn oder auch den Autor Bruce Chatwin mit seinen kuriosen Selbsterfahrungen: „15 Meilen bin ich splitternackt auf dem Black Mountain Trail gewandert, ohne einer Seele zu begegnen, nur Rehen und Vögeln, und das hat mich sehr glücklich gemacht.“
Wer daheim ausharrt und nur beim Lesen unterwegs ist, dem bleibt jedenfalls die Erfahrung des David Foster Wallace erspart: „Ich werde das dumme Gefühl nicht los, dass ich ein amerikanischer Tourist bin und dadurch per se ein stiernackiger, lauter, vulgärer, großkotziger Fettsack, eitel, verwöhnt, gierig und gepeinigt von Scham und Verzweiflung“, so sein Resümee am Ende der Kreuzfahrt. Titel der Reportage: „Schrecklich amüsant, aber in Zukunft ohne mich“.
Das Ende des Reisens? Vielleicht ein neuer Anfang.
QRainer Wieland Das Buch des Reisens Von den Seefahrern der Antike zu den Abenteurern unserer Zeit. 496 S., Hln., zahlreiche Farb- u. SW-Abb., € 49,90 (Propyläen Verlag, Berlin)