Kaf kas Klassen, Bernhards Motorsäge . . .
„Bauer Bernhard, Beamter Kafka“: Janko Ferks vergnügliche Essays über die „Zweitberufe“bekannter österreichischer Dichter.
Soeben ist, nach einem lesenswerten Gedichtband, ein neues essayistisches Buch Janko Ferks erschienen, das sich auch im neuen Jahr durchaus als Geschenk und zur erbaulichen Lektüre eignet. In essayartiger Weise stellt der Autor Schriftstellerinnen und Schriftsteller vor, die einen Zivil- oder Brotberuf ausgeübt haben. Janko Ferk trifft eine repräsentative Auswahl und liefert profunde und analytische biografische Beiträge.
Manche der Beschriebenen empfanden den Job als Qual, etwa Kafka, der lieber nächtelang „gekritzelt“hätte, als störrische Unternehmer über die staatliche Unfallversicherung aufzuklären. Andere nahmen ihre „zweite“Profession ernst, litten aber unter der mangelnden Anerkennung ihrer Fähigkeiten, wie Thomas Bernhard, der sich redlich als Landwirt versuchte und dafür auch amtliche Nachweise erbrachte. In Jugendzeiten war er Kaufmannslehrling und holte sich fast den Tod, als er in Eiseskälte schwere Jutesäcke schleppte.
Immerhin erwarb der Schwierige, der sich als Schreibender sah, aber als Landwirt firmierte und Bezeichnungen wie Schriftsteller oder Dichter hasste, nach dem Erfolg von „Frost“1964 mehrere landwirtschaftlich genutzte Grundstücke im Bundesland ob der Enns, deren Veräußerung nur an einen Landwirt rechtens war. Da es keine exklusive Fachausbildung zum Landwirt gibt, musste der Erwerber durch tatsächliche Betätigung seine Berufung nachweisen. Das tat Bernhard in Obernathal, wogegen er die „Krucka“als Fluchtpunkt und Liebesnest, den „Han-
Janko Ferk Bauer Bernhard, Beamter Kafka Dichter und ihre Zivilberufe. 176 S., geb., € 19,90 (Styria premium Verlag, Wien/ Graz) späun“hingegen als Hort des (ausnehmerischen) Kartenspiels nutzte.
Wer Ferks Buch zur Hand nimmt, erfährt von Bernhards Bemühungen, in die Bezirksbauernkammer aufgenommen zu werden. Im legendären Werk des Bernhard-Maklers Ignaz Hennetmair („Ein Jahr mit Thomas Bernhard“) konnte man Korrespondenzen mit Funktionären lesen und das schwarze Kfz-Kennzeichen auf dem Traktor des Autors betrachten sowie Wissenswertes über Bernhards Mostpresse und seine Motorsägenexperimente erfahren.
Ferk ist nicht nur Jus-Professor und Richter, sondern auch ausgewiesener KafkaExperte, sodass seine Darstellung von Kafkas juristischem Zivilberuf als AUVA-Beamter präziser ausfällt als in den ziegeldicken Biografien. Kafkas Zuständigkeit zu „Beäußerungen“missdeuteten Stach und Wagenbach als Beantwortungen oder Erledigungen eines Rechtsmittels. In Wahrheit war die Arbeiter- Unfallversicherungsanstalt für das Königreich Böhmen aber keine Behörde, sondern Sozialversicherungsträger und sachverständige Einrichtung, die sich zur Einstufung von Unternehmen in „Gefahrenklassen“äußern konnte. Die tatsächliche Einstufung nahm die Bezirkshauptmannschaft als Gewerbebehörde vor, deren Votum nicht stets im Instanzenzug hielt, womit sich Kafkas machtlose Behörden in den Werken „Der Process“und „Das Schloss“erklären.
Die Bezeichnung von Schnitzlers Zivilberuf als Facharzt für Laryngologie wäre inadäquat, denn der Autor der „Liebelei“und des „Reigen“schloss zwar Studium und Turnus ab, ließ sich aber nie als Facharzt nieder, sondern lebte (nicht ohne Existenzängste) von Tantiemen und Honoraren. Die Doppelberufung führt bei Nichtösterreichern häufig zu terminologischen Unschärfen. Anlässlich eines Schnitzler-Gedenktags schrieb ein Zürcher „NZZ-Redaktor“, Schnitzler sei praktizierender Arzt gewesen. Aber das stimmt so nicht, denn nur in der verhältnismäßig kurzen Ära nach Abschluss des Studiums half er seinem Vater bei der Redaktion einer Fachzeitschrift und praktizierte selbst als Laryngologe. Später aber behandelte er nur Freunde, wobei es mehr um die Beschwichtigung bei hypochondrischen Beschwerden oder um einfühlsames Frauenverstehen als um die Anamnese und Therapie ging.
Janko Ferk arbeitet auch Albert Drachs juristische Tätigkeit gekonnt auf und liefert zu allen Objekten seiner Darstellung weiterführendes Schrifttum, was ihn als profunden und wissenschaftlich ausgewiesenen Autor bestätigt. Dazu kommen sein unprätentiöser Stil sowie sein Bemühen um Faktentreue und Diskretion, die zu einem vergnüglichen und bereichernden Leseerlebnis beitragen.
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