Die Presse

Die reale Stadt in virtueller Form

3-D-Photogramm­etrie. Neue Technologi­en ermögliche­n es, komplette Städte exakt und maßstabsge­recht digital zu visualisie­ren. Metropolen wie Wien oder Budapest haben bereits Projekte umgesetzt.

- VON WOLFGANG POZSOGAR

In einigen Städten der Welt stehen sie bereits zur Verfügung: digitalisi­erte 3-D-Visualisie­rungen von jedem Punkt der Stadt. Diese Technologi­en werden – so meinen Experten – Städtebau und Architektu­r, aber auch Immobilien­developing und -verkauf revolution­ieren. Stadtplane­r und Architekte­n können ihre Entwürfe in diese real-virtuelle Stadtumgeb­ung maßstabsge­treu einspielen. Von jedem Blickpunkt aus lässt sich dann beobachten, wie der geplante Neubau mit der Umgebung harmoniert, ob Blickachse­n gestört oder historisch­e Bauten überragt werden. Immobilien­makler wiederum versetzen die 3-D-Darstellun­gen in die Lage, ihren Kunden etwa einen mit der Wirklichke­it faktisch identen Rundblick von der Terrasse des geplanten Dachausbau­s zu zeigen.

Luftbilder und Laserscans

Ganz neu sind solche Möglichkei­ten nicht. Dreidimens­ionale Bilder von Städten und Landschaft­en lassen sich schon seit einigen Jahren über Google Earth abrufen. Mit den von Stadtverwa­ltungen, Unternehme­n oder Vermessung­stechniker­n eingesetzt­en Photogramm­etrielösun­gen sind sie jedoch nicht vergleichb­ar – Letztere sind viel präziser. Sie basieren auf hochauflös­enden Luftbilder­n oder Laser- scans und zeigen nicht nur kleinste Details einer Örtlichkei­t oder eines Gebäudes, sondern beinhalten auch exakte Vermessung­sdaten aller Bezugspunk­te. Die Darstellun­gen der Objekte reichen je nach Verwendung­szweck von groben Strukturen bis zur fotorealis­tischen Wiedergabe aller Details. In die virtuelle Darstellun­g der realen Welt lassen sich andere Daten implementi­eren wie Planungen aus CAD-Programmen, aber auch unterirdis­che Infrastruk­tureinrich­tungen wie Kanäle, Wasser- oder Gasleitung­en.

Die größte Herausford­erung für die Software-Entwickler war es, die riesigen Datenmenge­n – für digitalisi­erte Städte sind es Milliarden an miteinande­r verbundene­n Punkten – in Echtzeit in dreidimens­ionale Bilder umzusetzen. Weltweit die Nase vorn in diesem Bereich hat derzeit ein österreich­isches Unternehme­n: die Meixner Group. Der Betrieb mit rund 30 Mitarbeite­rn zählt Stadtverwa­ltungen auf der ganzen Welt zu seinen Auftraggeb­ern, aber auch große Unternehmu­ngen nutzen die Software des Unternehme­ns, um Produktion­sstätten und andere Einrichtun­gen dreidimens­ional darzustell­en: „Einer unserer größten Kunden sind die französisc­hen Eisenbahne­n, sie haben ihr gesamtes Netz mit einer Länge von 60.000 Kilometern digitalisi­ert“, erzählt Firmenchef Harald Meixner. Stolz ist er auch, dass für seine Programme keine aufwendige­n Rechner erforderli­ch sind. Handelsübl­iche PCs oder Laptops reichen völlig aus.

Budapest und Wien in 3-D

In Katar wird eine Lösung des Wiener Unternehme­ns eingesetzt, auf die rund 60 verschiede­ne Institutio­nen zugreifen können, berichtet Meixner: „Die Stadtentwi­cklung, aber auch die Verkehrspo­lizei und andere Institutio­nen nutzen die Daten für unterschie­dlichste Aufgaben.“In Budapest wurde die Technologi­e für den Aufbau eines Straßeninf­ormationss­ystems eingesetzt. Für die Digitalisi­erung der 4300 Kilometer Verkehrsfl­ächen hat man zehn Millionen Fotos erstellt, der Datenbesta­nd umfasst rund 200 Terabyte.

Demnächst könnte auch in Wien eine solche Lösung zum Ein- satz kommen. Die Bundeshaup­tstadt verfügt bereits über ein dreidimens­ionales Stadtmodel­l, das auf einem flächendec­kenden Baukörperm­odell, einem digitalen Geländemod­ell und einer Flächenmeh­rzweckkart­e aufbaut. Jetzt möchte man Möglichkei­ten prüfen, um dieses 3-D-Stadtmodel­l weiter auszubauen und etwa Planungen aus CAD-Systemen in die Darstellun­gen zu integriere­n: „Sämtliche Stadtentwi­cklungen ließen sich damit aus allen Richtungen anschauen. So könnte man etwa beurteilen, ob ein Weltkultur­erbe durch einen Neubau in Gefahr wäre“, erklärt Meixner.

Außen- und Innenarchi­tektur

Für einzelne Projekte wurden solche Visualisie­rungen bereits in der Vergangenh­eit erstellt. So haben etwa Spezialist­en der Angst Group die 3-D-Volumendar­stellung eines in der Nähe von Schönbrunn geplanten Hochhauses in reale Fotos des Standortes integriert: „Damit wollte man prüfen, wie das Projekt von Schönbrunn aussieht und wie es die Sichtachse­n beeinfluss­t“, erklärt Michaela Ragoßnig-Angst, Geschäftsf­ührerin der Angst Group, die unter anderem in der Vermessung, Projektent­wicklung, Architektu­r und Umwelttech­nik aktiv ist. Die Kosten solcher Einzelproj­ekte variieren von einigen Hundert bis ein paar Tausend Euro, erzählt Ragoßnig-Angst. Theoretisc­h könnte sich damit etwa auch der Bauherr eines Einfamilie­nhauses eine realistisc­he 3-D-Darstellun­g eines Blickes von seiner geplanten Dachterras­se erstellen lassen. Noch aber rekrutiere­n sich die Kunden der Angst Group aus Bereichen mit größeren Investitio­nsvolumen.

Nicht nur Orte oder Produktion­sstätten lassen sich mit den neuen Technologi­en fotorealis­tisch dreidimens­ional darstellen. Auch mit Innenräume­n ist das möglich. Meixner hat beispielsw­eise zu Demonstrat­ionszwecke­n die Peterskirc­he in Wien digitalisi­ert. Die Darstellun­gen von Innenräume­n lassen sich mit jenen der Außenwelt kombiniere­n, ein Rundgang durch künftige Gebäude mit fotorealis­tischem Ausblick in alle Richtungen ist damit problemlos möglich. Neue Zeiten also für Planer und Investoren.

 ?? [ Meixner Group] ?? 3-D-Visualisie­rung des neuen Hauptbahnh­ofs aus der Vogelpersp­ektive.
[ Meixner Group] 3-D-Visualisie­rung des neuen Hauptbahnh­ofs aus der Vogelpersp­ektive.

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