Die reale Stadt in virtueller Form
3-D-Photogrammetrie. Neue Technologien ermöglichen es, komplette Städte exakt und maßstabsgerecht digital zu visualisieren. Metropolen wie Wien oder Budapest haben bereits Projekte umgesetzt.
In einigen Städten der Welt stehen sie bereits zur Verfügung: digitalisierte 3-D-Visualisierungen von jedem Punkt der Stadt. Diese Technologien werden – so meinen Experten – Städtebau und Architektur, aber auch Immobiliendeveloping und -verkauf revolutionieren. Stadtplaner und Architekten können ihre Entwürfe in diese real-virtuelle Stadtumgebung maßstabsgetreu einspielen. Von jedem Blickpunkt aus lässt sich dann beobachten, wie der geplante Neubau mit der Umgebung harmoniert, ob Blickachsen gestört oder historische Bauten überragt werden. Immobilienmakler wiederum versetzen die 3-D-Darstellungen in die Lage, ihren Kunden etwa einen mit der Wirklichkeit faktisch identen Rundblick von der Terrasse des geplanten Dachausbaus zu zeigen.
Luftbilder und Laserscans
Ganz neu sind solche Möglichkeiten nicht. Dreidimensionale Bilder von Städten und Landschaften lassen sich schon seit einigen Jahren über Google Earth abrufen. Mit den von Stadtverwaltungen, Unternehmen oder Vermessungstechnikern eingesetzten Photogrammetrielösungen sind sie jedoch nicht vergleichbar – Letztere sind viel präziser. Sie basieren auf hochauflösenden Luftbildern oder Laser- scans und zeigen nicht nur kleinste Details einer Örtlichkeit oder eines Gebäudes, sondern beinhalten auch exakte Vermessungsdaten aller Bezugspunkte. Die Darstellungen der Objekte reichen je nach Verwendungszweck von groben Strukturen bis zur fotorealistischen Wiedergabe aller Details. In die virtuelle Darstellung der realen Welt lassen sich andere Daten implementieren wie Planungen aus CAD-Programmen, aber auch unterirdische Infrastruktureinrichtungen wie Kanäle, Wasser- oder Gasleitungen.
Die größte Herausforderung für die Software-Entwickler war es, die riesigen Datenmengen – für digitalisierte Städte sind es Milliarden an miteinander verbundenen Punkten – in Echtzeit in dreidimensionale Bilder umzusetzen. Weltweit die Nase vorn in diesem Bereich hat derzeit ein österreichisches Unternehmen: die Meixner Group. Der Betrieb mit rund 30 Mitarbeitern zählt Stadtverwaltungen auf der ganzen Welt zu seinen Auftraggebern, aber auch große Unternehmungen nutzen die Software des Unternehmens, um Produktionsstätten und andere Einrichtungen dreidimensional darzustellen: „Einer unserer größten Kunden sind die französischen Eisenbahnen, sie haben ihr gesamtes Netz mit einer Länge von 60.000 Kilometern digitalisiert“, erzählt Firmenchef Harald Meixner. Stolz ist er auch, dass für seine Programme keine aufwendigen Rechner erforderlich sind. Handelsübliche PCs oder Laptops reichen völlig aus.
Budapest und Wien in 3-D
In Katar wird eine Lösung des Wiener Unternehmens eingesetzt, auf die rund 60 verschiedene Institutionen zugreifen können, berichtet Meixner: „Die Stadtentwicklung, aber auch die Verkehrspolizei und andere Institutionen nutzen die Daten für unterschiedlichste Aufgaben.“In Budapest wurde die Technologie für den Aufbau eines Straßeninformationssystems eingesetzt. Für die Digitalisierung der 4300 Kilometer Verkehrsflächen hat man zehn Millionen Fotos erstellt, der Datenbestand umfasst rund 200 Terabyte.
Demnächst könnte auch in Wien eine solche Lösung zum Ein- satz kommen. Die Bundeshauptstadt verfügt bereits über ein dreidimensionales Stadtmodell, das auf einem flächendeckenden Baukörpermodell, einem digitalen Geländemodell und einer Flächenmehrzweckkarte aufbaut. Jetzt möchte man Möglichkeiten prüfen, um dieses 3-D-Stadtmodell weiter auszubauen und etwa Planungen aus CAD-Systemen in die Darstellungen zu integrieren: „Sämtliche Stadtentwicklungen ließen sich damit aus allen Richtungen anschauen. So könnte man etwa beurteilen, ob ein Weltkulturerbe durch einen Neubau in Gefahr wäre“, erklärt Meixner.
Außen- und Innenarchitektur
Für einzelne Projekte wurden solche Visualisierungen bereits in der Vergangenheit erstellt. So haben etwa Spezialisten der Angst Group die 3-D-Volumendarstellung eines in der Nähe von Schönbrunn geplanten Hochhauses in reale Fotos des Standortes integriert: „Damit wollte man prüfen, wie das Projekt von Schönbrunn aussieht und wie es die Sichtachsen beeinflusst“, erklärt Michaela Ragoßnig-Angst, Geschäftsführerin der Angst Group, die unter anderem in der Vermessung, Projektentwicklung, Architektur und Umwelttechnik aktiv ist. Die Kosten solcher Einzelprojekte variieren von einigen Hundert bis ein paar Tausend Euro, erzählt Ragoßnig-Angst. Theoretisch könnte sich damit etwa auch der Bauherr eines Einfamilienhauses eine realistische 3-D-Darstellung eines Blickes von seiner geplanten Dachterrasse erstellen lassen. Noch aber rekrutieren sich die Kunden der Angst Group aus Bereichen mit größeren Investitionsvolumen.
Nicht nur Orte oder Produktionsstätten lassen sich mit den neuen Technologien fotorealistisch dreidimensional darstellen. Auch mit Innenräumen ist das möglich. Meixner hat beispielsweise zu Demonstrationszwecken die Peterskirche in Wien digitalisiert. Die Darstellungen von Innenräumen lassen sich mit jenen der Außenwelt kombinieren, ein Rundgang durch künftige Gebäude mit fotorealistischem Ausblick in alle Richtungen ist damit problemlos möglich. Neue Zeiten also für Planer und Investoren.