Die Spielräume der Macht
Motivation. Was Führungskräfte wirklich schätzten, sei nicht so sehr Anerkennung und Macht, sondern Freiraum und Gestaltung – glaubt man dem Hernstein-Report. (Wie) kann das sein?
Wo sind bloß die bestätigungsliebenden Patriarchen, leistungsgetriebenen Process-Performance-Manager und geldaffinen Karrieristen alle hin? Im Hernstein-Management-Report zum Thema „Was motiviert Führungskräfte?“scheinen sie irgendwie sehr spärlich vertreten zu sein. Jedenfalls auf den ersten Blick (siehe Grafik): Die große Mehrheit schätzt die Freiräume am meisten an ihrer Arbeit.
Erwartungen anpassen
Je 750 Personen aus Österreich und Deutschland wurden online befragt, was sie im Job antreibt und erfüllt. Vertreten waren unteres, mittleres und oberes Management – und ihre Antworten zeigen, dass die Lebenswelten recht verschieden sind. Je höher die Position, umso zufriedener die Person: Im Topmanagement sind 93 Prozent topmotiviert, in der Arbeit ihr Bestes zu geben, im unteren Management 80 Prozent. „Alles in allem gern“arbeiten 89 des oberen, aber 77 des unteren Managements an ihrem Arbeitsplatz. Ob sie ihren Freunden raten würden, auch Führungskraft zu werden? 41 Prozent des oberen Managements klickten „trifft zu“an, aber nur 19 Prozent des unteren.
So weit, so wenig erstaunlich: „Mit der Höhe der Karriereleiter steigen auch die Gestaltungs- und Entscheidungsspielräume“, weiß Eva-Maria Ayberk, Leiterin des Hernstein-Managements-Instituts in Wien. „Der Druck der Sandwichposition im mittleren und unteren Management lässt nach. Es kann sozusagen operativer Ballast abgeworfen werden.“Außerdem seien ihre Erwartungen nicht mehr so hoch, da sie durch langjährige Führungserfahrung „schon oft in der Praxis überprüft und gegebenenfalls angepasst wurden. Wenn Wunsch und Wirklichkeit nicht mehr so stark auseinanderliegen, schafft das Zufriedenheit“, so Ayberk.
Freiräume nutzen
Doch zurück zur Eingangsfrage. Nicht alle 1500 Befragten lieferten eine Antwort – war sie doch, ausnahmsweise, in eigene Worte zu fassen. Doch 1023 Personen von 1500 beschrieben genau, was sie an ihrer Rolle als Führungskraft am meisten schätzen. Am häufigsten (41 Prozent) wurden Aspekte von Freiraum und der Möglichkeit, gestalterisch im eigenen Unternehmen tätig zu werden, erwähnt – von Entscheidungsspielräumen und Handlungsautonomie bis hin zu selbst organisiertem Arbeiten und unternehmerischen Möglichkeiten.
„Verantwortung übernehmen“liegt mit 16 Prozent an zweiter Stelle, dabei wurden Begrifflichkeiten wie Managementverantwortung für Menschen und Ressourcen ebenso genannt wie Macht und Einfluss. Wer jetzt meint, nun sei das böse Wort doch noch aufgetaucht, hat recht und irrt zugleich – denn auch wenn der Begriff Macht oft negativ konnotiert ist, bedeutet er meist wenig anderes als die Möglichkeit, ganz nach eigenem Ermessen zu gestalten und zu entscheiden.
Wissen weitergeben
An dritter Stelle folgt die Arbeit mit Menschen: „Mitarbeiter führen und anleiten“liegt mit elf Prozent ex aequo mit der „Zusammenarbeit mit Menschen“, also mit der allgemeinen Interaktion im Unternehmen. Zu acht Prozent wird „Return“of Engagement“genannt – zwischenmenschliche Anerkennung für die Leistungen im Unternehmen.
Monetäre Gründe wurden nicht erwähnt. Daraus zu schließen, dass entsprechendes Entgelt nicht wichtig sei, ist aber wohl ein Fehlschluss – traditionell spricht man einfach nicht über Geld. Dennoch meint Ayberk: „Gerade wenn es um die monetäre Anerkennung von Leistung geht, ist so manches Incentive-Programm eher hinderlich, weil dieses auf falschen Annahmen zu Motivation beruht.“Die viel gepriesenen ausgeklügelten Performance-ManagementSysteme (Leistungsmanagement zielt auf die kontinuierliche Verbesserung der individuellen und Unternehmensleistung ab) verlören daher immer mehr an Glanz.
Insgesamt finden 78 Prozent der Führungskräfte die eigene Tätigkeit sinnvoll und erfüllend, 71 Prozent fühlen sich für ihre Arbeit im Unternehmen wertgeschätzt. Und immerhin 85 Prozent der Befragten empfehlen das Leistungsangebot ihres Unternehmens weiter.