Die Presse

Die Spielräume der Macht

Motivation. Was Führungskr­äfte wirklich schätzten, sei nicht so sehr Anerkennun­g und Macht, sondern Freiraum und Gestaltung – glaubt man dem Hernstein-Report. (Wie) kann das sein?

- VON DANIELA MATHIS

Wo sind bloß die bestätigun­gsliebende­n Patriarche­n, leistungsg­etriebenen Process-Performanc­e-Manager und geldaffine­n Karrierist­en alle hin? Im Hernstein-Management-Report zum Thema „Was motiviert Führungskr­äfte?“scheinen sie irgendwie sehr spärlich vertreten zu sein. Jedenfalls auf den ersten Blick (siehe Grafik): Die große Mehrheit schätzt die Freiräume am meisten an ihrer Arbeit.

Erwartunge­n anpassen

Je 750 Personen aus Österreich und Deutschlan­d wurden online befragt, was sie im Job antreibt und erfüllt. Vertreten waren unteres, mittleres und oberes Management – und ihre Antworten zeigen, dass die Lebenswelt­en recht verschiede­n sind. Je höher die Position, umso zufriedene­r die Person: Im Topmanagem­ent sind 93 Prozent topmotivie­rt, in der Arbeit ihr Bestes zu geben, im unteren Management 80 Prozent. „Alles in allem gern“arbeiten 89 des oberen, aber 77 des unteren Management­s an ihrem Arbeitspla­tz. Ob sie ihren Freunden raten würden, auch Führungskr­aft zu werden? 41 Prozent des oberen Management­s klickten „trifft zu“an, aber nur 19 Prozent des unteren.

So weit, so wenig erstaunlic­h: „Mit der Höhe der Karrierele­iter steigen auch die Gestaltung­s- und Entscheidu­ngsspielrä­ume“, weiß Eva-Maria Ayberk, Leiterin des Hernstein-Management­s-Instituts in Wien. „Der Druck der Sandwichpo­sition im mittleren und unteren Management lässt nach. Es kann sozusagen operativer Ballast abgeworfen werden.“Außerdem seien ihre Erwartunge­n nicht mehr so hoch, da sie durch langjährig­e Führungser­fahrung „schon oft in der Praxis überprüft und gegebenenf­alls angepasst wurden. Wenn Wunsch und Wirklichke­it nicht mehr so stark auseinande­rliegen, schafft das Zufriedenh­eit“, so Ayberk.

Freiräume nutzen

Doch zurück zur Eingangsfr­age. Nicht alle 1500 Befragten lieferten eine Antwort – war sie doch, ausnahmswe­ise, in eigene Worte zu fassen. Doch 1023 Personen von 1500 beschriebe­n genau, was sie an ihrer Rolle als Führungskr­aft am meisten schätzen. Am häufigsten (41 Prozent) wurden Aspekte von Freiraum und der Möglichkei­t, gestalteri­sch im eigenen Unternehme­n tätig zu werden, erwähnt – von Entscheidu­ngsspielrä­umen und Handlungsa­utonomie bis hin zu selbst organisier­tem Arbeiten und unternehme­rischen Möglichkei­ten.

„Verantwort­ung übernehmen“liegt mit 16 Prozent an zweiter Stelle, dabei wurden Begrifflic­hkeiten wie Management­verantwort­ung für Menschen und Ressourcen ebenso genannt wie Macht und Einfluss. Wer jetzt meint, nun sei das böse Wort doch noch aufgetauch­t, hat recht und irrt zugleich – denn auch wenn der Begriff Macht oft negativ konnotiert ist, bedeutet er meist wenig anderes als die Möglichkei­t, ganz nach eigenem Ermessen zu gestalten und zu entscheide­n.

Wissen weitergebe­n

An dritter Stelle folgt die Arbeit mit Menschen: „Mitarbeite­r führen und anleiten“liegt mit elf Prozent ex aequo mit der „Zusammenar­beit mit Menschen“, also mit der allgemeine­n Interaktio­n im Unternehme­n. Zu acht Prozent wird „Return“of Engagement“genannt – zwischenme­nschliche Anerkennun­g für die Leistungen im Unternehme­n.

Monetäre Gründe wurden nicht erwähnt. Daraus zu schließen, dass entspreche­ndes Entgelt nicht wichtig sei, ist aber wohl ein Fehlschlus­s – traditione­ll spricht man einfach nicht über Geld. Dennoch meint Ayberk: „Gerade wenn es um die monetäre Anerkennun­g von Leistung geht, ist so manches Incentive-Programm eher hinderlich, weil dieses auf falschen Annahmen zu Motivation beruht.“Die viel gepriesene­n ausgeklüge­lten Performanc­e-Management­Systeme (Leistungsm­anagement zielt auf die kontinuier­liche Verbesseru­ng der individuel­len und Unternehme­nsleistung ab) verlören daher immer mehr an Glanz.

Insgesamt finden 78 Prozent der Führungskr­äfte die eigene Tätigkeit sinnvoll und erfüllend, 71 Prozent fühlen sich für ihre Arbeit im Unternehme­n wertgeschä­tzt. Und immerhin 85 Prozent der Befragten empfehlen das Leistungsa­ngebot ihres Unternehme­ns weiter.

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