Digitaler, impulsiver, individueller
Trends. Mehr, flexibler, hochwertiger? Wohin muss sich Weiterbildung orientieren, um zukunftsfähig zu sein? Stimmen aus Forschung und Praxis.
Höhere Ansprüche, knappere Budgets: Auch für die Weiterbildungsinstitutionen wachsen die Herausforderungen. Ein Ansatz, wohin die Reise gehen sollte, ist unter anderem den Umfragen und Überlegungen des Zukunftsforschers Reinhold Popp zu entnehmen.
Für sein jüngstes Buch „Österreich 2033“hat er Meinungbilder der Österreicher zu verschiedenen Themen erhoben, darunter auch zu Bildung und Weiterbildung. Danach sind etwa besonders viele Österreicher davon überzeugt, dass digitale Medien im Bildungswesen nicht mehr wegzudenken sein werden. Nahezu vier Fünftel aller Österreicher stimmen der Annahme zu, dass in gut 20 Jahren das Lernen mithilfe von neuen Medien im Mittelpunkt der Bildungsarbeit stehen wird.“
Flexibilisierung online
„Erwachsenenbildung wird immer öfter außerhalb von Bildungseinrichtungen stattfinden, digitale Medien beschleunigen die Flexibilisierung und Individualisierung des Lernens“, sagt Popp. Der rasante Bedeutungszuwachs der digitalen Medien habe in vielen Branchen zu einem Boom geführt, siehe E-Banking, E-Commerce und E-Government. Bei E-Learning hingegen halte sich diese Entwicklungsdynamik derzeit noch in engen Grenzen. „Zukünftig muss gerade auch beim lebenslangen Lernen die pädagogische Potenz von elektronischen Medien stärker berücksichtigt werden.“
Idealerweise sollte es für die meisten Bildungsbereiche und für fast jedes Bildungsniveau qualitätsgesicherte interaktive und unterhaltsame E-Learning-Kurse geben, deren Produktion aus öffentlichen Mitteln gefördert wird und die mit staatlich finanzierten Bildungsgutscheinen erworben werden können, sagt Popp. Als flankierende Maßnahme müssten seiner Einschätzung nach in den Einrichtun- gen der Erwachsenenbildung genügend gut qualifizierte Bildungsberater für das Lernen mithilfe neuer Medien und für die erwachsenengerechte Begleitung der individuellen Lernprozesse bildungswilliger Menschen zur Verfügung stehen.
Impulsiv und fachlich
Lernberater, Lernbegleiter und Mentoren sind auch für Christian Faymann, Leiter des Bildungsmanagements am Wifi Österreich, für ein modernes Weiterbildungsinstitut zunehmend unverzichtbar. „Das sind oft Psychologen, die zum Beispiel Wissens- und Potenzialanalysen durchführen. Das Ziel ist, dass der Kunde sich vorher gut überlegt, was er machen kann und will, und dann auf ein qualitativ hochwertiges Angebot an Kursen zurückgreifen kann. Es geht hier um eine richtige Bildungsberatung, die nicht mit der üblichen Kursberatung im Kundencenter zu verwechseln ist.“
Der größte Trend ist aus Sicht von Christian Faymann jedoch „der zeitnahe Erwerb von fachlichen Kompetenzen im Sinne von: Ich brauche jetzt . . .“Unter „zeitnah“sei die Möglichkeit gemeint, sich für konkrete berufliche Projekte – Stichwort Industrie 4.0 – laufend fachliche Kompetenzen anzueignen. Um dies zu ermöglichen, würden immer häufiger digitale Medien zum Einsatz gebracht, sagt Faymann. Dafür sei es notwendig, online zum Beispiel Lernstrecken für die Wiederholung des Basiswissens zur Verfügung zu stellen, aber auch den Austausch mit den anderen Kursteilnehmern sowie mit dem Mentor/Trainer/Moderator zu gewährleisten. Der Nachweis des Kompetenzerwerbs müsse in Form von digitaler Wissens- und Kompetenzüberprüfung machbar sein.
Ein weiterer Trend sind laut Faymann vermehrte akademische Angebote für Personen mit abgeschlossener Lehr- und Meisterausbildung. Das Wifi zumindest verzeichne bei solchen Lehrgängen steigende Teilnehmerzahlen. Dabei sei ein Bedarf an Weiterbildungen in beiden Richtungen zu beobachten, sowohl von der Fachausbildung zum Studium hin wie umgekehrt vom Studium zur fachspezifischen Weiterbildung. „Wir haben zum Beispiel Personen, die sich als Akademiker zum Kurs für die Bilanzbuchhalterprüfung anmelden, weil sie im Controlling arbeiten wollen.“Auch in solchen Fällen spiele wieder die Möglichkeit eine Rolle, die benötigte Kompetenz zeitnah zu erwerben.
Alt, aber trendy: Sprachen
Zurzeit am Wifi sehr stark nachgefragt und insofern als eine Art Trend zu sehen, sind laut Faymann Sprachkurse, einerseits für den Businessbereich (beispielsweise Cambridge-Zertifikate), andererseits für zugewanderte und geflüchtete Personen, die spezialisierte Deutschkenntnisse für einen bestimmten Tätigkeitsbereich brauchen.
Sprachen nennen auch die Volkshochschulen als Trend, der gleichzeitig ein Klassiker sei, nun aber mit den Deutschkursen für Migranten einen starken Schwerpunkt erhalten hat. Auf den Bedarf an Fremdsprachenkursen haben die VHS mit einer neuen Differenzierung reagiert. Der Intensität nach werden drei Formate unterrichtet: Standard, Intensiv und Ex- press. Wer beispielsweise aus beruflichen Gründen oder zur Vorbereitung auf einen Auslandsaufenthalt eine Sprache möglichst zielgerichtet lernen möchte, dem wird das Standardformat empfohlen. Besonders rasche Fortschritte verspricht ein Intensiv- oder Expressformat. „Sprache und Kultur“ist für all jene gedacht, die Sprache aus reinem Interesse und ohne Zeitdruck lernen wollen.
Als weitere Trends, die zwar weniger zur klassischen beruflichen Weiterbildung zählen, wohl aber zum traditionellen Bildungsauftrag der Volkshochschulen, nennt Mario Rieder, Geschäftsführer der VHS Wien, das Nachholen von Pflichtschulabschlüssen, die Begleitung und Integration zugewanderter Menschen sowie die „VHS Lernhilfe“, ein flächendeckendes Lernhilfeprogramm für Pflichtschüler mit dem Ziel, die Chancengleichheit zu erhöhen.
Digitaler Dolmetscher?
Was die globale Sprachenvielfalt betrifft, so findet sich auch dazu in Reinhold Popps Buch eine interessante Umfrage. Acht von zehn Österreichern glauben, dass es in 20 Jahren brauchbare elektronische Übersetzungsprogramme für die wichtigsten Sprachen der Welt geben wird. Die Entwicklungsabteilungen von Hochschulen, Elektronik- und Internetkonzernen hätten derzeit zwar noch keine bahnbrechenden Lösungen hervorgebracht haben, meint Popp. Da die Welt jedoch auf digitale Dolmetschprogramme warte, sei es nur eine Frage der Zeit, bis zumindest die alltagssprachliche Kommunikation von Geschäftsleuten oder Touristen zuverlässig digital übersetzt werden könnte.
Für Sprachschulen und Weiterbildungsinstitute müssen derlei Produktinnovationen wohl nicht zwingend Einbrüche bedeuten, vielleicht aber einen neuen Unterrichtstrend: vom aktiven Sprechen und Schreiben zu einem sinnvollen und unterhaltsamen Umgang mit technischen Tools.