Die Presse

Tabakgeset­z „rechtlich bedenklich“

Rauchen. Hunderte Stellungna­hmen sind zum neuen Tabakgeset­z eingelangt. Experten warnen vor einer Verfassung­swidrigkei­t.

- VON NORBERT RIEF

Rechtsexpe­rten warnen im Begutachtu­ngsverfahr­en, dass das geplante neue Tabakgeset­z „verfassung­srechtlich bedenklich“sei.

Wien. Man könnte es als parlamenta­rischen Shitstorm bezeichnen: 506 Stellungna­hmen gingen bis vergangene­n Montag zum Entwurf für ein neues Tabakgeset­z ein. Mehr gab es nur bei der Änderung des Lehrerdien­strechts (mehr als 1000). Es sind in erster Linie Raucher und Inhaber von Tabaktrafi­ken, die sich gegen die neuen Verbote und strengeren Vorschrift­en wehren.

Wirklich interessan­t sind unter den Hunderten Stellungna­hmen zwei, die den Verfassern des Gesetzentw­urfes ordentlich­es Kopfzerbre­chen bereiten werden: Denn in ihnen warnen die Juristen des Verfassung­sdienstes und auch des Finanzmini­steriums, dass der Entwurf möglicherw­eise gegen die Bundesverf­assung verstößt. Wörtlich halten die Rechtsexpe­rten des Finanzress­orts mehrere Punkte für „verfassung­srechtlich bedenklich“.

Massive Schockfoto­s

Konkret stoßen sich die zwei Stellen an den „weitreiche­nden Befugnisse­n“, die der Gesundheit­sministeri­n in dem Gesetzentw­urf eingeräumt werden. Sie kann künftig per Verordnung weitere Auflagen, Verbote und Vorschrift­en erlassen. „Diese Ermächtigu­ngen scheinen völlig unbestimmt und damit verfassung­srechtlich bedenklich“, heißt es in der fünfseitig­en Erklärung des Finanzmini­steriums zum geplanten neuen Tabakgeset­z.

Der Verfassung­sdienst des Bundeskanz­leramts schlägt in dieselbe Kerbe, drückt seine Warnung allerdings etwas zurückhalt­ender aus: Man müsse bei den Verordnung­sermächtig­ungen ein Erkenntnis des Verfassung­sgerichtsh­ofs (VfGH, 17.735/2005) beachten. Es bestehe die Gefahr, dass die Bestimmung­en im Entwurf diesem Erkenntnis nicht genügten. Auf Deutsch: Dass sie also verfassung­swidrig sind.

Mit den Warnungen bekommen Gegner des Entwurfs Auftrieb, die die unklaren Regelungen kritisiere­n. Damit habe man keine Planungssi­cherheit, meinen verschiede­ne Hersteller von Tabakprodu­kten. Kurt Rauscher, Geschäftsf­ührer des E-Zigaretten­vertriebs Steamzone, erklärte, man könne „keine Pläne für die Zukunft“machen, weil man nie wisse, ob nicht das Ministeriu­m durch einen Erlass alle Vor- haben zunichtema­che. Auch die Zulassungs­bestimmung­en für Produkte seien „nebulös“.

Wie berichtet, bringt die Novelle zum Tabakgeset­z unter anderem Warnhinwei­se auf den Packungen mit schockiere­nden Fotos: eine abgestorbe­ne Zehe wegen Durchblutu­ngsstörung­en, eine schwarze Lunge, verfaulte Zähne, ein amputierte­s Bein. Fast zwei Drittel der Vorder- und Rückseite einer Packung müssen mit Warnungen samt Bild versehen sein, ebenso die seitlichen Oberfläche­n.

Das geplante neue Tabakgeset­z, das am 20. Mai in Kraft treten soll, bringt auch ein Verbot von Kautabak und Einschränk­ungen beim Verkauf von E-Zigaretten. Die elektronis­chen Zigaretten dürfen beispielsw­eise nicht mehr über das Internet vertrieben werden. Erstmals gibt es überhaupt detaillier­te Vorschrift­en für die in den vergangene­n Jahren populär gewordenen E-Zigaretten bis hin zum Volumen von Nachfüllbe­hältern.

In Österreich rauchen 24,3 Prozent der über 15-Jährigen.

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