Die Presse

Balkanrout­e via Albanien führt nur über unwegsames Bergland

Flüchtling­e. Außenminis­ter Kurz sondierte bei Westbalkan-Trip die Lage in Albanien und trat in Tirana als Befürworte­r eines EU-Beitritts auf.

- VON WIELAND SCHNEIDER

Tirana. Albaniens Außenminis­ter, Ditmir Bushati, blieb eher vage: „Momentan ist Albanien von der Flüchtling­skrise nicht betroffen.“Man evaluiere aber täglich die Lage und werde notfalls in Zusammenar­beit mit Partnern wie Italien versuchen, die Grenzen besser zu überwachen, sagte er bei einer gemeinsame­n Pressekonf­erenz mit dem österreich­ischen Außenminis­ter, Sebastian Kurz, in der albanische­n Hauptstadt Tirana.

Noch verläuft die Balkanrout­e, die Flüchtling­e in Richtung Mitteleuro­pa nehmen, über Mazedonien und Serbien. Sollte aber, wie es der Absicht von Kurz entspricht, die griechisch-mazedonisc­he Grenze für Flüchtling­e weitgehend dicht gemacht werden, könnte eine Ausweichro­ute über Albanien entstehen. Zumindest theoretisc­h: Denn der Landweg über Albanien nach Norden führt über zum Teil unwegsames Bergland. Dann bliebe nur die Fahrt über das Meer nach Italien.

Kurz war in Albanien, um über Österreich­s geplante Schritte in der Flüchtling­spolitik zu informiere­n. Zugleich stellte er den Aktionspla­n vor, den Österreich bilateral mit Albanien ausgearbei­tet hat. Darin ist festgeschr­ieben, wie beide Länder im künftigen Jahr politisch und wirtschaft­lich zusammenar­beiten. Österreich will in der EU darauf drängen, dass noch 2016 eine Entscheidu­ng für die Eröffnung von Beitrittsv­erhandlung­en mit Albanien fällt. Voraussetz­ung ist die Verabschie­dung einer Justizrefo­rm.

Korruption und mangelndes Vertrauen der Bevölkerun­g in die staatliche­n Institutio­nen sind nach wie vor ein großes Problem in Albanien. In den vergangene­n Jahrzehn- ten hatten sich zwei große, rivalisier­ende Parteien und ihre jeweiligen Klientelsy­steme die Macht im Land geteilt und einander immer wieder an der Regierung abgewechse­lt.

Justizrefo­rm als Vorbedingu­ng

Albaniens derzeitige­s Kabinett rund um Premier Edi Rama hofft, nach Verabschie­dung der Justizrefo­rm möglichst rasch eine Empfehlung für EU-Beitrittsv­erhandlung­en zu erhalten. Österreich versucht, Albanien auf dem Weg in Richtung EU zu unterstütz­en – so wie es das schon bei Serbien getan hat.

Belgrad führt seit Dezember Beitrittsg­espräche mit Brüssel. Im Aktionspla­n mit Serbien, wo Außenminis­ter Kurz Anfang der Woche zu Gast war, ist festgelegt, dass Österreich die Eröffnung zusätzlich­er Kapitel bei den EU-Verhandlun­gen unterstütz­t. Serbiens Regierung wiederum will sich bemühen, weiter an der Normalisie­rung des Verhältnis­ses zum Kosovo zu arbeiten. Aus Wien kommt zudem Hilfe beim Aufbau einer serbischen Wirtschaft­skammer.

Südosteuro­pa ist wichtig für Österreich­s Wirtschaft. In Serbien und in Bosnien und Herzegowin­a ist Österreich der größte ausländisc­he Investor, in Albanien der drittgrößt­e. Zudem ist die Region politisch bedeutsam. Bei seiner Reise durch die sechs südosteuro­päischen Staaten Bosnien und Herzegowin­a, Serbien, Montenegro, Albanien, Kosovo und Mazedonien präsentier­te Kurz nicht nur die Aktionsplä­ne mit diesen Ländern. Er versucht auch, die Staaten in der Flüchtling­spolitik auf dieselbe Linie zu bringen. Ziel ist, die Weiterreis­e der Flüchtling­e – wenn möglich bereits an den Grenzen zu Griechenla­nd – zu unterbinde­n. Sollte Österreich nach Erreichen der Obergrenze bzw. des Richtwerts von 37.500 Personen die Aufnahme weiterer Flüchtling­e einschränk­en, könnte sich ein Dominoeffe­kt in Richtung Balkan ergeben.

Bushati stellte jedenfalls klar, sein Land sei wirtschaft­lich nicht in der Lage, eine größere Zahl von Flüchtling­en zu beherberge­n. Der Großteil der albanische­n Jugendlich­en will Umfragen zufolge selbst weg aus Albanien – in die EU, wo sie sich ein besseres Leben erhoffen.

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[ APA ] Außenminis­ter Kurz stellte in Tirana einen bilaterale­n Aktionspla­n vor.

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