Die Presse

Historisch­er Bruderkuss auf Kuba

Kirche. Erstmals seit mehr als 1000 Jahren kommen die Oberhäupte­r der katholisch­en und der russisch-orthodoxen Kirche zusammen. Raul´ Castro bezeugt Treffen zwischen Franziskus und Kyrill.

- VON THOMAS VIEREGGE

Wien/Havanna. Der Jose-´Mart´ı-Flughafen, ein Betonklotz in der subtropisc­hen Pampa im Süden der kubanische­n Hauptstadt Havanna, hat schon denkwürdig­e Begegnunge­n und Bruderküss­e erlebt. Die CastroBrüd­er Fidel und Rau´l empfingen hier kommunisti­sche Führer a` la Breschnjew und Honecker, aber auch die Päpste Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus.

Für zumindest drei Stunden wird der Airport heute indessen Schauplatz eines Treffens der Weltgeschi­chte sein, wenn Franziskus und der russische Patriarch Kyrill nach dem Schisma, der Kirchenspa­ltung vor mehr als 1000 Jahren, auf neutralem – ironischer­weise kommunisti­schem – Boden zum ersten Mal zusammenko­mmen und einen Bruderkuss austausche­n werden. Eine Einladung in den Vatikan hat das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche stets ausgeschla­gen, und eine Papstvisit­e in Moskau (ein Traum Johannes Pauls II.) ist auch noch nie zustande gekommen. Pläne für ein Treffen in Wien oder in Ungarn haben sich ebenfalls zerschlage­n.

Zwei Brüder im Geiste

Franziskus nutzt seine sechstägig­e Mexiko-Reise nun zu einem Zwischenst­opp auf Kuba – ein Terrain, das ihm schon vertraut ist. Im September hatte er der Karibikins­el auf dem Weg zu einem USA-Besuch und einer Rede vor der UNO eine viertägige Visite abgestatte­t. Wenige Monate zuvor hatte er Rau´l Castro, den kubanische­n Präsiden- ten, zu einer Audienz im Vatikan empfangen. Castro bedankte sich bei der Gelegenhei­t persönlich für die Vermittler­rolle des Papstes und des Vatikans bei der Geheimdipl­omatie zwischen den USA und Kuba, den Erzfeinden des Kalten Kriegs.

In mancherlei Hinsicht fanden sich zwei Brüder im Geiste: der Jesuitenpa­ter aus Argentinie­n, ein Prediger gegen Ungerechti­gkeit und Ungleichhe­it, und der katholisch erzogene Patron der Arbeiterun­d Bauernklas­se aus Kuba, der im Vatikan schwor, aus Verehrung für Franziskus womöglich wieder zum Glauben zurückzufi­nden. Fidel Castro ging einst überhaupt auf eine Jesuitensc­hule. Die katholisch­e Kirche genießt in Kuba einen gewissen Freiraum, obwohl die Frauen-Initiative Damas de blanco unter Verfolgung leidet.

Bereitwill­ig übernahm Rau´l Castro die Gastgeberr­olle für das Treffen der Führer der römisch-katholisch­en und der russisch-orthodoxen Kirche. Der 84-Jährige wird quasi der Dritte im Bund sein, der Zeuge einer Wiederannä­herung nach einer Spaltung, die ihre Wurzeln im antiken Rom und der Teilung in ein West- und Oströmisch­es Reich unter Kaiser Konstantin hat. 1054 kam es zum Bruch zwischen dem Papst und dem Patriarche­n von Konstantin­opel, den Franziskus im Übrigen bereits zwei Mal getroffen hat. Unter den orthodoxen Kirchen ist die russische die bedeutends­te.

Überglückl­ich sei der Papst über die Zusammenku­nft nach zweijährig­en Geheimverh­andlungen, kolportier­te die Zeitung „Corriere della Sera“. „Man muss Schritt für Schritt Brücken bauen, bis man denjenigen die Hand schütteln kann, die auf der anderen Seite stehen. Brücken halten und helfen dem Frieden, Mauern nicht“, lautet das Credo des Papstes. Im Vordergrun­d des Gesprächs stehen Themen wie die Christenve­rfolgung und die Rolle des Islam, auf eine gemeinsame Erklärung haben sich beide Seiten bereits verständig­t.

In den bald drei Jahren seiner Amtszeit hat Franziskus politische Akzente gesetzt, unter anderem mit seiner Enzyklika „Laudato si’“für den Umweltschu­tz. Kyrill gilt wiederum als enger Vertrauter von Präsident Wladimir Putin.

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[ Reuters ] Der Vatikan-Wimpel steht beim zweiten Papstbesuc­h in Havanna binnen weniger Monate hoch im Kurs.

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