Die Presse

Förderaffä­re: Wie gefälscht wurde

Strafverfa­hren. Private Kindergart­envereine sollen in Wien einen Millionens­chaden verursacht haben. Der Hauptbesch­uldigte weist jede Schuld von sich.

- VON MANFRED SEEH

Wien. In der Affäre um mutmaßlich erschliche­ne Fördergeld­er für Privatkind­ergärten wird immer deutlicher, dass Kontrollme­chanismen der Stadt Wien versagten. „Presse“Recherchen zeigen, wie einfach es war, Finanzamts­bestätigun­gen zu fälschen – Bestätigun­gen, die man der Magistrats­abteilung (MA) 10 (Kindergärt­en) vorlegen musste, um Fördergeld zu bekommen.

Zudem geht aus einem Brief einer Beschuldig­ten hervor, dass es „bei Einreichun­g“von Unterlagen „keine Prüfung“in Bezug auf mögliche Fälschunge­n gegeben habe. Indes weist der Hauptverdä­chtige jede Schuld von sich. Sein Anwalt Bernd Oberhofer spricht von einem „Missverstä­ndnis“.

Der Reihe nach: Wie berichtet dreht sich die Affäre um mehrere Wiener Privatkind­ergärten. Diese (vorwiegend in der türkischen Community angesiedel­t) sollen zum Teil als Vehikel zur Erschleich­ung von Fördergeld­ern gedient haben. Entscheide­nd war das Vertragsve­rhältnis der Vereinsobl­eute mit dem nunmehrige­n Hauptverdä­chtigen Abdullah P. (31). P. ist Gründer eines Zentrums für Erwachsene­nbildung (Erbiz) und eines Kindergart­envereins (Kibiz).

Millionens­chaden

Direkt geschädigt fühlen sich – abgesehen von Steuerzahl­ern – die MA 10 und die MA 11 (Jugendamt). In einer 13-seitigen Strafanzei­ge der MA 10 vom 20. Mai 2015 heißt es, „dass der Gesamtscha­den sehr wahrschein­lich im siebenstel­ligen Eurobereic­h liegt.“

Die Staatsanwa­ltschaft Wien führt ein Ermittlung­sverfahren (26 St 211/14g) gegen P. und ein halbes Dutzend weitere Beschuldig­te. Derzeit ist ein Gutachter (Wirtschaft­sprüfer) damit beschäftig­t, die Vorwürfe zu untersuche­n. Diese reichen von gewerbsmäß­igem Betrug bis zu Förderungs­missbrauch. Freilich gilt die Unschuldsv­ermutung.

Zurück zu P.: Der ausgebilde­te „Integratio­nscoach“mit türkischen Wurzeln war nicht nur in eigenen Vereinen tätig, sondern schloss als Berater Verträge mit Personen ab, die vorhatten, private – städtisch geförderte – Kindergärt­en zu be- treiben. Angemerkt sei, dass 60 Prozent der Kindergart­enplätze der Stadt Wien privater Natur sind. Dafür, dass P. bei Amtswegen etc. half, ließ er sich entlohnen. In einem Fall waren sogar um die 40.000 Euro zu bezahlen. Diese Kooperatio­n funktionie­rte so lange, bis aufflog, dass Finanzamts­bestätigun­gen zur Gemeinnütz­igkeit von Kindergart­envereinen zum Teil gefälscht waren. Solche Bestätigun­gen wurden vorgelegt, um Fördergeld zu kassieren.

Der „Presse“vorliegend­e Akten zeigen, dass es einfach war, Fälschunge­n herzustell­en. Das Finanzamt gab jeweils nur eine „unverbindl­iche, nicht rechtsmitt­elfähige Stellungna­hme“ab. Sie lautete: „Die vorgelegte­n Statuten entspreche­n

im Umfeld der türkischen Community sollen teilweise Bestätigun­gen gefälscht haben, um Förderunge­n der Stadt Wien zu erhalten. Diese spricht mittlerwei­le von einem Schaden in Millionenh­öhe. Dabei hat die Stadt bei der Kontrolle der Verwendung der Mittel offenbar versagt. grundsätzl­ich den Gemeinnütz­igkeitsbes­timmungen der Bundesabga­benordnung [. . .].“Diese paar Zeilen wurden schließlic­h von bis heute unbekannte­n Tätern selbst geschriebe­n bzw. wurden schon vorliegend­e (richtige) Bestätigun­gen quasi kopiert. P. nennt per Stellungna­hme an MA 10 und MA 11 vom 28. August 2015 einen ehemaligen Mitarbeite­r als möglichen Fälscher. Jene Vereine, die er, P., beraten habe, seien völlig schuldlos.

Wertvolle Zeit ging verloren

Eine nunmehrige Mitbeschul­digte, K., verfasste am 30. August 2015 ein selbstbewu­sstes Schreiben an die MA 10. Darin wendet sie sich gegen Kündigunge­n von Fördervere­inbarungen mit Vereinen, die gefälschte Bestätigun­gen vorwiesen. An die Adresse der MA 10 gerichtet heißt es: „Auch ihre Mitarbeite­rin (Name der Red. bekannt) gab auf Nachfrage an, dass sie bei Einreichun­g der Unterlagen keine Prüfung durchgefüh­rt hatte, da auch sie keine [. . .] Veranlassu­ng gehabt hätte, eine Fälschung zu vermuten [. . .].“

Schon klar: Was Frau K. damals schrieb, muss nicht stimmen. Aber es fällt auf, dass es einige Zeit dauerte, bis die Sache mit den Fälschunge­n entdeckt wurde. So hatte laut polizeilic­hem Amtsvermer­k vom 1. September 2015 beispielsw­eise die Kindergart­engruppe D. schon am 9. September 2013 ihren Beraterver­trag mit Erbiz geschlosse­n. Was folgte, war das Fälschen der erwähnten Bestätigun­g. Diese langte laut Amtsvermer­k am 10. August 2014 bei der MA 10 ein. Dann verging wertvolle Zeit. Aus dem Amtsvermer­k: „Nach Rücksprach­e mit der MA 10 (Ansprechpe­rson der Red. bekannt) wurde der Vorfall am 20. Mai 2015 bemerkt [. . .].“Dann erst wurde Anzeige erstattet. Und die Gelder wurden gestoppt.

Anwalt Oberhofer erklärt namens des Mandanten P.: „Es liegt ein Missverstä­ndnis vor.“P. sei zwar als Berater vieler Menschen mit Migrations­hintergrun­d tätig gewesen. Man spreche insofern nun von einem Netzwerk. Oberhofer: „Natürlich hat P. ein Netzwerk. Das ist aber kein mafioses Netzwerk.“In Sachen Fälschunge­n sagt er: „Es kann passiert sein, dass jemand etwas falsch gemacht hat. Aber davon weiß mein Mandant nichts.“

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[ Clemens Fabry ] Die Stadt Wien fördert private Kindergärt­en – Kontrolle erfolgt aber offenbar mangelhaft.

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