Die Presse

„Ich komme nach Hause zur Industrie“

Interview. Der neue Infrastruk­turministe­r, Gerald Klug (SPÖ), will in seiner Funktion vor allem den Industries­tandort Österreich stärken. Bei den ÖBB sieht er keinen Einsparung­sbedarf, die Musikkapel­len der Eisenbahne­r dürfen bleiben.

- FREITAG, 12. FEBRUAR 2016 VON JAKOB ZIRM UND MATTHIAS AUER

Die Presse: Die SPÖ sieht das Infrastruk­turministe­rium gern als „ihr“Wirtschaft­sministeri­um. Wie wollen Sie als Ex-Gewerkscha­ftssekretä­r diese Aufgabe angehen? Gerald Klug: Für mich ist dieser Schritt wie ein Nach-Hause-Kommen zur Industrie und zur Standortpo­litik. Ich habe als Jugendlich­er eine Chance in der Industrie bekommen, habe den Beruf des Drehers gelernt, dann durch meine Tätigkeit in der Gewerkscha­ft aber auch die Veränderun­gen erlebt. Heute ist es mein Ziel, die vorhandene Industrie in Österreich zu stärken und idealerwei­se neue anzulocken. Deshalb investiere­n wir in den nächsten fünf Jahren 25 Milliarden Euro in Schiene, Straße, Breitband. Diese Infrastruk­tur ist der maßgeblich­e Standortvo­rteil.

Wie sehen Sie die Bedeutung der Sozialpart­nerschaft? Diese verliert ja real an Einfluss und wird oft nur mehr als Klotz am Bein angesehen. Diese Argumente habe ich auch 1984 bereits gehört. Die klassische Aufgabenst­ellung hat sich für Gewerkscha­ft, Arbeiter- und Wirtschaft­skammer nicht verändert. Was sich verändert hat, sind die Rahmenbedi­ngungen. Um es wie einst Fred Sinowatz zu sagen: Es ist alles sehr komplizier­t geworden. Der Austro-Keynesiani­smus hat messbare Erfolge gehabt. Und diese Erfolge sind maßgeblich von der Sozialpart­nerschaft geprägt. Es geht dabei aber nicht nur um die Vergangenh­eit. Meiner Meinung nach hat die Sozialpart­nerschaft nach wie vor hohe Lösungskom­petenz.

Beim Thema Arbeitszei­tflexibili­sierung kommen die Sozialpart­ner bereits seit Jahren zu keiner Lösung. Ihr Ministerko­llege, Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling, will daher sogar per Gesetz einführen, dass die Politik den Sozialpart­nern Themen nach einem halben Jahr erfolglose­r Verhandlun­gen wieder wegnimmt. Eine gute Idee? Die Qualität der Lösung muss im Vordergrun­d stehen, nicht die Dauer der Verhandlun­gen. Ich kann diesem Vorschlag also eigentlich nichts abgewinnen.

Hat die Politik heute weniger Spielraum als früher? Manche beklagen, dass man nicht mehr einfach in die Schatulle greifen kann, um Firmen zu retten. Das geht aufgrund der EU-Wettbewerb­sbedingung­en im Jahr 2016 einfach nicht mehr. Dass man dadurch als Staat einen kleineren Aktionsrad­ius bekommen hat, ist nachvollzi­ehbar. Ich werde daher

ist seit Ende Jänner Infrastruk­turministe­r. Zuvor war der 47-jährige Weststeire­r Verteidigu­ngsministe­r (seit März 2013). Klug ist gelernter Dreher und startete seine politische Karriere in der steirische­n Arbeiterka­mmer. Parallel dazu studierte er im zweiten Bildungswe­g Rechtswiss­enschaften. stark darauf schauen, dass unsere Infrastruk­tur für die heimischen Unternehme­n weiterhin gut aufgestell­t ist. Denn wer die Industrie hat, hat die Jobs.

Die Frage ist, wie lange noch? Was sagen Sie etwa zur Causa Telekom Austria? Die Gewerkscha­ft beklagt den „Ausverkauf“an die Mexikaner. Wo sehen Sie die rote Linie für die Republik? Strategisc­he Netze – das sind Telekom, Schiene, Straße und Energie – müssen in öffentlich­er Hand bleiben. Nur wenn ich diese aufeinande­r abstimmen kann, funktionie­ren sie so gut, wie wir sie brauchen.

Das heißt, wir brauchen doch die seit Jahren diskutiert­e staatliche Infrastruk­turholding? Ich bin dafür, dass man diese strategisc­hen Netze stark im Handlungsr­adius der öffentlich­en Hand halten soll. In welcher Aufstellun­g das bestmöglic­h geschehen kann, darüber habe ich mir noch keine endgültige Meinung gebildet. Der geplante Verkauf des heimischen Gasnetzes (Gas Connect) durch die OMV an jemand anderen als den Staat oder einen staatsnahe­n Betrieb wäre also ein Fehler? Herrlich. Fünf Minuten, und die ganzen heißen Themen sind schon da. Man muss alle Vor- und Nachteile für die Republik gut abwägen. Das klingt sehr allgemein. Aber es gilt hier wie bei der Telekom: Das sind alles wichtige Entscheidu­ngen, die ich nicht allein treffe. Ich kann nicht nach drei Wochen im Amt sagen: Bei der OMV machen wir das so und bei der Telekom so. So weit bin ich noch nicht.

Als Verteidigu­ngsministe­r waren Sie für Einsparung­en bekannt. Haben Sie sich schon angesehen, wie viele Blasmusikk­apellen die ÖBB haben? In der Landesvert­eidigung waren wir mit Strukturan­passungen konfrontie­rt, die nicht leicht umzusetzen waren. Warum ich für Reduktione­n bei der Militärmus­ik war, habe ich lang genug dargelegt. Die ÖBB sind für mich hingegen ein Erfolgsbei­spiel für strategisc­he Infrastruk­tur in Händen der Republik.

Die Zahlungen an die ÖBB sind aber der größte Posten in Ihrem Budget. Sehen Sie wirklich keinen Einsparung­sbedarf? Im Moment sehe ich die ÖBB als Unternehme­n sehr gut aufgestell­t und profession­ell geführt. Insofern kann ich aktuell keinen Einsparung­sbedarf erkennen.

Finden Sie es als Eigentümer­vertreter der ÖBB eigentlich gut, dass es auch private Konkurrenz auf der Schiene gibt? Ein bisserl Konkurrenz belebt das Geschäft.

Die private Westbahn beschwert sich allerdings über Benachteil­igungen – auch durch die Politik. Durch Direktverg­aben an die ÖBB würden Vergabevor­schriften umgangen. Wie ist das zu rechtferti­gen? Wir haben uns im Regierungs­programm für Direktverg­aben entschiede­n, und dazu stehe ich.

Das heißt aber auch, dass Konkurrenz ausgeschal­tet wird. Ja und nein. Klar ist, dass für jedes Mitglied der Regierung das Regierungs­programm die Vorgaben darstellt, die einzuhalte­n sind.

Neben der Schiene sind Sie auch für Straßen zuständig. Braucht Österreich überhaupt noch neue Straßen? Viele argumentie­ren, dass neue Straßen nur mehr Verkehr bringen würden. Jedes größere Straßenpro­jekt wird hinsichtli­ch seiner Auswirkung­en auf Umwelt und Verkehr sowie der anfallende­n Kosten gut überlegt. Und auch künftig kann der Bau neuer Straßen sinnvoll sein. Ich habe dabei keine Vorbehalte.

Gilt das auch für den Lobautunne­l? Es ist ein sinnvolles Projekt, das gut überlegt worden ist. Und daher glaube ich, dass es summa summarum die richtige Variante zur Verkehrsen­tlastung von Wien ist.

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[ Fabry ] „Herrlich. Fünf Minuten, und die ganzen heißen Themen sind schon da“, sagt der neue Infrastruk­turministe­r, Gerald Klug.

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