Gelebte Solidarität der Ritter der Gulaschkanone
Wie Österreich glaubt, seine EU-Beistandsverpflichtung zu erfüllen.
Am 17. November 2015 haben die EU-Verteidigungsminister (als EU-Außenrat) über die Reaktion auf die Anschläge in Paris beraten. Der französische Präsident, Francois¸ Hollande, hat sich kurz davor auf Artikel 42 Absatz 7 des EU-Vertrags berufen und die anderen EU-Staaten um Hilfe und Unterstützung ersucht.
Die Minister aller EU-Staaten bekundeten ihre einhellige und uneingeschränkte Unterstützung sowie ihre Bereitschaft, alle erforderliche Hilfe und Unterstützung bereitzustellen. Zum ersten Mal kommt also die ominöse „Beistandsklausel“des EU-Vertrags zur Anwendung.
Über Bedeutung und Tragweite ihres Handelns waren sich die anwesenden Minister nicht wirklich klar. Sie beglückwünschten sich jedoch gegenseitig zu diesem Akt der Solidarität. Von diversen österreichischen Regierungsmitgliedern wurden kurz darauf alle möglichen Hilfen medial breit angekündigt.
Inzwischen sind fast drei Monate vergangen. Zeit, um im Verteidigungsministerium nachzufragen, was Österreich eigentlich von seinen großartigen Zusagen schon umgesetzt hat. Die Antwort ist – wie befürchtet – niederschmetternd: Gar nichts! Österreich bietet lediglich die Fortsetzung des Engagements des Bundesheeres in bereits laufenden UN- und EUMissionen in Afrika an.
Vermiedene Entscheidungen
Das bedeutet konkret: Bei Bedarf jährlich maximal 100 Flugstunden der C-130 Hercules für Transportaufgaben. An der UN-Mali-Mission bleibt Österreich weiterhin mit maximal 15 Personen beteiligt. Darüber hinaus prüft man wohlwollend die Entsendung von Französisch sprechendem Stabspersonal zu EU- bzw. UN-Einsätzen in Afrika. Das war’s dann aber schon mit der angekündigten Solidarität.
Darüber hinaus soll es (wann auch immer) ein gesamtstaatliches Paket von Verteidigungs-, Innenund Außenministerium geben. De- tails sind leider noch in Verhandlung. Koordiniert wird das Ganze vom Bundeskanzleramt. Und bevor es wirklich ernst wird, soll das ominöse Angebot auch noch durch den Hauptausschuss des Nationalrats abgesegnet werden. Es wird offensichtlich wieder versucht, sich vor klaren (und raschen) Entscheidungen zu drücken.
Ausgebliebene Diskussion
Eine politische Diskussion über die Beistandsklausel und was sie für Österreich bedeutet, erfolgt nicht. Bei einer ordentlichen thematischen und inhaltlichen Vorbereitung hätte jedenfalls so manche Peinlichkeit vermieden werden können. Weder ist über die Sinnhaftigkeit der Beistandsklausel im konkreten Fall diskutiert worden, noch wurde die Solidaritätsklausel des Artikels 222 AEUV als Alternative in Spiel gebracht.
Bei Letzterer soll mit zivilen oder militärischen Mitteln gemeinsam und solidarisch im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten gehandelt werden, wenn ein Mitglied von einem Terroranschlag, einer Naturkatastrophe oder einer vom Menschen verursachten Katastrophe betroffen ist (die Beistandsklausel des Artikels 42 Absatz 7 zielt hingegen auf einen kollektiven Beistand der EU-Mitgliedstaaten bei einem bewaffneten Angriff auf einen Mitgliedstaat).
Auch hat sich in Wien niemand wirklich jemals Gedanken darüber gemacht, wie man im Falle eines EU-Beistandsfalls vorgehen soll. Klare und kurze Entscheidungsprozesse für den Ernstfall sind offensichtlich nicht geplant worden. So kommt es, dass man wie gewohnt dahinlaviert. Über eines sollte man sich jedoch langsam im Klaren sein: Nicht jedes Problem löst man damit, dass man ein bisschen mit einer Hercules-Transportmaschine herumfliegt. Das ist selbst für österreichische Verhältnisse armselig.