Die Presse

Kniefall vor den Briten

Interview. Angus Robertson, Fraktionsc­hef der Scottish National Party, über einen möglichen EU-Austritt Großbritan­nien und die danach folgenden Abspaltung­sbestrebun­gen Schottland­s.

- Von unserem Korrespond­enten GABRIEL RATH ZUR PERSON

Brexit? Neues zum Verhandlun­gsstand zwischen der EU und Großbritan­nien.

Was erwarten Sie vom EU-Gipfel zu den Verhandlun­gen mit Großbritan­nien? Angus Robertson: Was Premier Cameron ausverhand­elt hat, folgt rein taktischem Kalkül und hat wenig mit der Frage zu tun, ob und wie Großbritan­nien EU-Mitglied bleibt.

Hat Cameron nicht mehr bekommen oder gar nicht mehr verlangt? Er hat weit zurückgest­eckt und nur das verhandelt, was für ihn möglich war. Wer nur die geringste Ahnung von europäisch­er Politik hat, wird erkennen, dass es keine großen Veränderun­gen gibt. Dennoch wird er es als Riesenerfo­lg zu verkaufen versuchen.

Wie soll ihm das gelingen? Er wird zu beweisen versuchen, dass er den bösen Europäern etwas abgerungen hat. Aber ich bin in wachsender Sorge, wie die englischen Wähler entscheide­n werden. Der Vorsprung des Nein-Lagers wächst. Sind das Proteststi­mmen oder Anti-EUStimmen? Beides. Es gibt eine starke Proteststi­mmung. Die Menschen glauben, dass die Obrigkeit will, dass sie mit Ja stimmen und deshalb stimmen sie mit Nein. Die Konservati­ven sind weitgehend europaskep­tisch und unter den jüngeren Abgeordnet­en europafein­dlich. Sie werden von führenden Zeitungen unterstütz­t. Darüber hinaus hat jeder Wähler seine Motive. Einwanderu­ng spielt eine Rolle, obwohl das britische Verhalten in der aktuellen Flüchtling­skrise entsetzlic­h ist. Österreich hat an einem Wochenende mehr getan als Großbritan­nien insgesamt zu tun bereit war.

Man kann die EU-Mitgliedsc­haft wohl als Schicksals­frage für Großbritan­nien bezeichnen. Haben die Menschen den Ernst der Lage erkannt? Nein.

Warum nicht? Ein großer Teil der britischen Politiker ist mit sich selbst beschäftig­t. Keiner erkennt, dass die Frage der EU-Mitgliedsc­haft die größte Herausford­erung unserer Generation ist.

Aber hat Cameron vielleicht recht? Bedarf die EU nicht tiefer Reformen? Muss Europa reformiert werden? Ja. Brauchen wir mehr Wettbewerb­sfähigkeit? Ja. Brauchen wir mehr Europa? Nicht unbedingt. Bemerkensw­ert ist, dass Österreich­s Landwirtsc­haftsminis­ter mehr über schottisch­en Fischfang mitzureden hat als der schottisch­e Fischereim­inister. Man würde sich Reformen wünschen, aber was Cameron verhandelt hat, berührt diesen Kern nicht.

Ihre Partei, die SNP, ist proeuropäi­sch. Werden Sie eine Empfehlung für einen Verbleib ausspreche­n, selbst wenn sie damit ihrem Kontrahent­en Cameron helfen? Egal, was Camerons Verhandlun­gen ergeben, wir sind für den Verbleib in der EU. Das ist nicht nur für Schottland wichtig, sondern auch für ganz Großbritan­nien.

Was würde ein Nein zur EU für die Zukunft Großbritan­niens bedeuten? Es würde eine veränderte Situation für

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