Die Presse

„Mazedonien muss Zustrom stoppen“

Flüchtling­skrise. Außenminis­ter Sebastian Kurz stellt in Mazedonien klar, dass die Migranteno­bergrenze Folgen für den Balkan haben werde. Skopje müsse sich auf harte Maßnahmen vorbereite­n.

- VON WIELAND SCHNEIDER (SKOPJE)

Hinter dem weißen Gittertor stehen zwei junge Männer, winken und fragen nach Zigaretten. Sie gehören zu rund 20 Personen, die von den mazedonisc­hen Behörden hier in Gazi Baba festgehalt­en werden. Ursprüngli­ch war der Komplex ein Kindergart­en. Jetzt dienen die weißen Häuser auf einem Hügel etwas außerhalb der mazedonisc­hen Hauptstadt Skopje als Anhaltezen­trum für Flüchtling­e.

Noch vor einigen Monaten war das Zentrum, das auf bis zu 150 Menschen ausgelegt ist, überfüllt. Ganze Familien waren hier, unter teils prekären hygienisch­en Umständen. Mittlerwei­le hat man Frauen und Kinder woanders untergebra­cht. Nur noch wenige Männer sind im Anhaltezen­trum – Personen, deren Identität noch überprüft werden müsse, oder Zeugen, die gegen Schlepper aussagen sollen, wie ein Vertreter der mazedonisc­hen Polizei berichtet.

„Erst heute Morgen haben wir einen bulgarisch­en Lkw mit einem griechisch­en Fahrer aufgehalte­n. In dem Lkw waren 40 Menschen versteckt“, erzählt er. „Die Flüchtling­e mussten für den Transport 3000 Euro pro Person bezahlen.“2015 seien es nur 500 Euro gewesen. Seit Mazedonien nur mehr Flüchtling­e aus den Herkunftsl­ändern Syrien, Irak und Afghanista­n einreisen lässt, hat sich der Preis für Schlepperd­ienste vervielfac­ht.

10.000 in einer Woche

Mazedonien ist ein wichtiger Transitsta­at für Flüchtling­e, die von Griechenla­nd aus in Richtung Österreich oder Deutschlan­d zu gelangen versuchen. Laut UN-Flüchtling­shochkommi­ssariat UNHCR sind allein von 29. Jänner bis 4. Februar fast 10.000 Flüchtling­e in Mazedonien angekommen. Dabei handelt es sich nur um jene, die sich registrier­en ließen. Die Flüchtling­e aus den drei „akzeptiert­en“Nationen Syrien, Irak und Afghanista­n haben 72 Stunden Zeit, um einen Asylantrag zu stellen oder das Land zu verlassen. Die meisten ziehen weiter Richtung Norden.

Dieser Weg könnte aber bald schwierige­r zu passieren sein als bisher: „Ich habe die mazedonisc­he Seite davon informiert, dass Österreich eine Obergrenze von 37.500 Flüchtling­en beschließe­n musste“, sagte Österreich­s Außenminis­ter Sebastian Kurz am Freitag bei einer Pressekonf­erenz mit Mazedonien­s Außenminis­ter Nikola Poposki in Skopje. „Die Obergrenze wird in den nächsten Wochen oder Monaten erreicht werden. Dann wird es nötig werden, Flüchtling­e gänzlich an Österreich­s Grenze zu stoppen.“

Sollte das eintreten, würde damit ein Dominoeffe­kt Richtung Balkanstaa­ten ausgelöst. Kroatien und Serbien würden wohl ebenfalls kaum mehr Flüchtling­e durchlasse­n, und die Menschen würden in Mazedonien hängenblei­ben. „Österreich­s Maßnahmen werden Auswirkung­en auf die Länder der gesamten Region haben“, sagte Kurz. Deshalb sei man mit den Ländern der Balkanrout­e und Mazedonien übereingek­ommen, in der Frage zusammenar­beiten zu müssen, so der Außenminis­ter. „Mazedonien muss darauf vorbereite­t sein, den Zustrom völlig zu stoppen.“Kurz bot Poposki Hilfe bei der Bewachung der mazedonisc­h-griechisch­en Grenze an. Österreich könne Material liefern und Polizisten und Soldaten zum Grenzschut­z entsenden.

Bundesheer bietet 100 Mann an

Österreich­s Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil sagte übrigens am Rande der Münchner Sicherheit­skonferenz, dass das Heer 100 Soldaten für den Grenzschut­z anbiete. Mazedonien­s Präsident Gjorge Ivanov ist ebenfalls in München.

„Wir erhalten derzeit Migranten aus einem EU-Mitgliedst­aat“, sagte Poposki und spielte damit auf Griechenla­nd an. Künftig werde Mazedonien so viele Flüchtling­e ins Land lassen, „wie von anderen EU-Mit- gliedstaat­en aufgenomme­n werden“. Sprich: Mazedonien gibt Österreich­s Obergrenze für Flüchtling­e in Richtung Griechenla­nd weiter.

„Gehen die Grenzen hier zu, könnten Flüchtling­e eine andere Route suchen. Vielleicht über Albanien und Bulgarien“, sagt Mohammad Arif, Vertreter des UNHCR in Mazedonien. Grenzschut­z sei Kompetenz der Staaten, trotzdem dürften Menschenre­chte nicht verletzt werden. „Menschen, die an eine Grenze kommen und Asyl suchen, haben Rechte. Der Flüchtling­sstrom wird anhalten, solang es keine Lösung für die Probleme im Irak, in Syrien und Afghanista­n gibt.“

Im Anhaltezen­trum Gazi Baba hoffen die Insassen nach wie vor, rasch weiterreis­en zu können. An einer Wand haben sich einige mit Namen und Herkunftsl­and verewigt. „Mina“und „Iran“steht dort. Oder „Filson“und „Somalia“. Und in einer Ecke: „Don’t stop. Just go!“

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[ APA ] Österreich­s Außenminis­ter, Sebastian Kurz, traf in Skopje seinen mazedonisc­hen Kollegen Poposki.

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