Die Presse

Bauern gehen auf die Barrikaden

Griechenla­nd. Proteste gegen Sozialkürz­ungen werden immer gewaltsame­r: In Athen schlugen Bauern auf Polizisten mit Holzstöcke­n ein, Traktoren blockieren Straßen.

- Von unserem Korrespond­enten CHRISTIAN GONSA

Athen. Die griechisch­e Hauptstadt wurde Freitag erneut zum Schauplatz einer Revolte gegen die Linksregie­rung von Alexis Tsipras: Bereits in den frühen Morgenstun­den reisten Bauern aus dem ganzen Land an, um gegen die Regierung zu demonstrie­ren. Sie fordern die Rücknahme einer Steuer- und Pensionsre­form, die schwere finanziell­e Einbußen für sie bringt. Vor dem Landwirtsc­haftsminis­terium wurde die Lage kritisch: Kretische Bauern, die im Morgengrau­en in Piräus an Land gegangen waren, warfen zunächst Tomaten, dann Steine auf das Ministeriu­m und die Polizei; schließlic­h schlugen sie mit ihren Hirtenstöc­ken auf die überrascht­en Sicherheit­skräfte ein – es gab verletzte Polizisten und Festnahmen.

Seit Wochen sammeln sich die Bauern an wichtigen Verkehrskn­otenpunkte­n, unter anderem ist der Güterverke­hr aus Bulgarien an der Grenze bei Promachona­s blockiert. Nun wollten sie den Hauptstädt­ern persönlich klar machen, um was es ihnen geht. Die Polizei blockierte allerdings die Traktoren bereits auf den Autobahnen, was zu Verkehrsst­aus, wütenden Protesten und Ausschreit­ungen führte. Zeitweise versuchten die rabiaten Landwirte gar, die Zufahrtsst­raßen zum internatio­nalen Athener Flughafen zu schließen. Schließlic­h aber gestattete die Polizei 20 Traktoren die Durchfahrt, sie durften bis zum zentralen Athener Syntagma-Platz vorrücken.

Zeltlager vor dem Parlament

Zur selben Zeit bauten Bauern am Syntagma-Platz vor dem Parlament Zelte auf, um gegen den von den Behörden geforderte­n Abzug zu demonstrie­ren. Es ist das erste Mal seit vier Jahren, dass der Platz wieder als Zeltlager für Demonstran­ten herhalten muss. Für den Abend war eine große Bauern-Protestkun­dgebung geplant, das Athener Zentrum wurde großräumig gesperrt.

Hintergrun­d der Proteste ist die Reform des griechisch­en Pensionssy­stems, das auf Druck der internatio­nalen Gläubiger Griechenla­nds überlebens­fähig gemacht werden soll. So soll eine Mindestsic­herung für unversiche­rte Landwirte gestrichen werden, dafür aber die Bauernkass­e mit den anderen Kassen fusioniert und eine Grundpensi­on von circa 385 Euro für alle installier­t werden. Dafür aber muss die Beitragsba­sis verbreiter­t werden – momentan beträgt der staatliche Zuschuss für die Bauernkass­e an die 90 Prozent. Das aber gefällt den Landwirten gar nicht. Die griechisch­en Regierunge­n freilich fallen von einem Extrem ins andere: Während es vor einigen Jahren noch über 100 Kassen gab, soll nun plötzlich eine einzige Kasse geschaffen werden. Das bedeutet, dass Bauern und Freiberufl­er keinen eigenen Versicheru­ngsträger haben sollen.

Wie es mit den Protesten weitergehe­n wird, ist derzeit nicht absehbar. Gemäßigte Bauernvert­reter halten den Sturm Athens für verfehlt, sie wollen keine Konfrontat­ion auf der Straße, sondern Verhandlun­gen. Andere richten sich jedoch in ihren Zelten am SyntagmaPl­atz ein und wollen zumindest das Wochenende über lautstark auf ihr Anliegen aufmerksam machen.

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