„IS hat Nimbus der Unbesiegbarkeit verloren“
Münchner Sicherheitskonferenz. Deutschlands Verteidigungsministerin von der Leyen warnt davor, dass Europa in Xenophobie und Nationalismus untergeht. Es könne nicht sein, dass man vor zwei Millionen Flüchtlingen kapituliere.
Weil nicht sein kann, was nicht sein darf: So klang der Kernsatz von Ursula von der Leyens Eröffnungsrede auf der Münchner Sicherheitskonferenz: „Es kann doch nicht sein, dass ein Kontinent mit 500 Millionen Menschen vor 1,5 bis zwei Millionen Flüchtlingen kapituliert“, sagte die sonst stets nüchtern auftretende deutsche Verteidigungsministerin ungewohnt emotional.
Und sie machte deutlich, dass es derzeit ganz danach aussehe: Die wahre Krise in Zusammenhang mit der größten Flüchtlingswelle seit dem Zweiten Weltkrieg sei moralischer Natur: „Die Solidarität zwischen den EU-Staaten droht zu erodieren. Das Zukunftsversprechen, das Europa war, droht in Xenophobie und Nationalismus unterzugehen.“An dieser Stelle schlägt von der Leyen den Bogen zur Terrormiliz Islamischer Staat: „Das ist Wasser auf die Propagandamühlen des IS; es spielt jenen in die Hände, die die Einheit Europas zersetzen wollen, sei es von innen oder von außen.“
In Sachen IS ist das Bild, das von der Leyen zeichnet, nicht komplett düster: „Der IS hat große Verluste erlitten, Territorium eingebüßt, den Nimbus der Unbesiegbarkeit verloren.“Bei aller Langsamkeit zeige die Entwicklung der Lage im Irak, „dass unsere Strategie richtig ist; wenn wir unsere ganze Kraft auf ein gemeinsames Ziel ausrichten.“
Syrien hingegen zeige, was passiere, wenn man nicht an einem Strang ziehe: „Es war und ist schwer erträglich zu erleben, wenn Menschen in Aleppo mit Bombenteppichen überzogen werden und gleichzeitig in Wiener Gesprächen Vertrauen aufgebaut werden soll.“Dass dieser Bombenteppich ein russischer ist, sagte sie nicht explizit. Offenbar wollte von der Leyen das Gesprächsklima mit Moskau nicht belasten, das erst in der Nacht auf Freitag in München immerhin zur gemeinsamen Absichtserklärung geführt hatte, einen Waffenstillstand zu chen.
Der IS war wenig überraschend das zentrale Thema am ersten Tag in München, mit prominenten Rednern, die entweder direkt betroffen sind, wie Iraks Premier Haidar alAbadi, der die gewagte Ankündigung machte, dass 2016 das letzte Jahr sein solle, in dem der IS noch Territorium im Irak kontrolliere. Oder indirekt, wie Jordaniens König Abdullah: Auf fünf Jordanier kommt mittlerweile ein syrischer Flüchtling. Die Araber und Muslime, meinte der Monarch, hätten die Verantwortung, diesen Krieg gegen die „Geächteten des Islam“, wie er die IS-Leute nannte, anzuführen.
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Europas Verteidigungslinie
Doch Abdullah blieb in seiner scharfsinnigen Rede nicht in seiner Region, sondern zeigte auch Europa auf, was es seiner Meinung nach tun könne, um dem IS in seiner unmittelbaren Nachbarschaft das Wasser abzugraben: Man müsse die Länder mit muslimischer Mehrheit auf dem Balkan gegen den Extremismus unterstützen, denn „diese Länder sind Europas erste Verteidigungslinie“. Nichts könnte für Europa kostspieliger sein als eine Stärkung des Extremismus auf dem Balkan. Die EU müsse Ländern wie Bosnien und Herzegowina, Albanien oder dem Kosovo daher die Hand reichen. Sprich: Sie aufnehmen, als Vorposten der Stabilität. Andernfalls müsse man wohl in einigen Jahren über Bedrohungen diskutieren, die man leicht hätte vermeiden können.